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Stephan Sperlich:

Blasmusiklust und -frust  - Motivation und Nachwuchsarbeit in nordwestdeutschen Freizeitblasorchestern und –kapellen

Spaß daran haben bzw. keine Lust mehr dazu haben – das sind üblicherweise die Kategorien, in denen (Ex-)Mitglieder von Freizeitblasorchestern und –kapellen (FBOK) den Beginn, die Fortsetzung bzw. das Ende ihrer Freizeitblasmusiktätigkeit begründen. Gerade im Hinblick auf blasmusikalische Nachwuchsarbeit ist allerdings mehr psychologische Reflexion angebracht. Die sich mit dieser Thematik befassende Dissertation enthält als Kernstück eine Befragung von 410 Freizeitblasmusikbetreibenden (FBB) aus 26 FBOK im Weser-Ems-Gebiet. In Verbindung mit schriftlichen Äußerungen aus der Blasmusikszene, wissenschaftlichen Arbeiten und nicht zuletzt durch praktische Erfahrungen des Autors wird aufgedeckt bzw. bestätigt, dass unter nordwestdeutschen (nwdt.) FBB soziale Motive generationsübergreifend dominieren. Musikalische Bedürfnisse können sich vor allem deshalb kaum fortentwickeln, weil die musikalische Leitung sowie die überwiegend vereinsinterne Nachwuchsausbildung in nwdt. FBOK häufig nicht in qualifizierten Händen liegt und die tradierten Rahmenbedingungen blasmusikalischer Freizeittätigkeit, die allerdings von vielen FBB weiterhin akzeptiert werden, ein Gebrauchsmusizieren mit primär sozialen Funktionen einfordern und fördern. Hierbei überwiegen vor allem die vielen, wiederkehrenden Schützen- und Volksfestauftritte, auf denen das örtliche Publikum mit "traditioneller Blasmusik" (Märsche, Walzer, Polkas, Schlager) unterhalten wird und stereotype Einstellungen zur Blasmusik (z.B. das übliche Medienbild) eher bestätigt als relativiert werden. Auch die zu qualitätvollerem Musizieren hinführende Wertungsspiel-Pädagogik der Blasmusikverbände kann an der Basis wenig überzeugen, weil viele nwdt. FBB eher die der Entspannung und teilweise als Familienersatz dienende gesellige Musiziergemeinschaft schätzen und Wertungsspiele als musikalischen Leistungsstress empfinden. Die oft gepriesene generationsübergreifende Gemeinschaft geht häufig auf Kosten der jungen FBB, die überweigend Blasmusikstücke spielen wollen, welche ihrer allgemeinen musikalischen Sozialisation durch Pop- und Rockmusik entsprechen. Den jungen FBB stehen keine dauerhaften regionalen Auswahlblasorchester oder unterschiedliche Ensembles in ihrem Verein zur Verfügung, die entsprechende Repertoirebedürfnisse abdecken. Verbleiben junge nwdt. FBB trotzdem in den traditionellen FBOK, so sind hierfür einerseits soziale Motivationsaspekte entscheidend, andererseits ist die Erziehung zur Anpassung ausschlaggebend. Der weiterhin ungebrochene Zustrom von jungen Menschen in traditionelle FBOK in Nwdt. erklärt sich durch die kostengünstige Weise ein Musikinstrument zu erlernen, die Möglichkeit zur Freundschaftsbildung und die Art der Werbung, die oft in einer "Mundpropaganda" durch Verwandte sowie Freunde besteht, jedoch in schriftlicher Form häufig sehr diffus bleibt, wodurch nicht klar wird, auf was sich das Neumitglied einlässt. Der gängige Werbe-Slogan "Wir machen Musik, weil es Spaß macht" trifft in nwdt. FBOK jedenfalls eher auf erwachsene bzw. ältere FBB und ihre Lieblingsmusik zu.

 

Die Arbeit erscheint Ende 2001 als Dissertation. Näheres kann bei der Universitätsbibliothek Oldenburg erfragt werden.

Weitere Teil-Publikationen und Ergebnisberichte in der Zs. CLARINO.