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Anja Herold:

Frauen lernen Jazz – Workshopszene und Musikhochschulen in Deutschland im Vergleich

Ausgehend von der Beobachtung, dass die Geschlechterverhältnisse im Jazz immer noch sehr unausgeglichen sind, frage ich nach der Rolle der Institution Musikhochschule sowie der Workshop-Szene bezüglich dieser Geschlechterdifferenz.

In Ermangelung aktueller Daten ermittelte ich zunächst den Frauenanteil (Lehrende sowie Studierende) für die künstlerischen Jazz-Studiengänge an den Musikhochschulen. Im SS 2000 betrug der Frauenanteil unter den Studierenden laut dieser Erhebung 20% (die Hälfte davon sind Sängerinnen) und unter den Lehrenden 10%. Meiner Untersuchung der Musikhochschulen stellte ich eine Untersuchung der freien Workshop-Szene gegenüber, da hier der Frauenanteil sehr viel höher ist. Eine exemplarische Untersuchung von 32 unterschiedlichen Jazz-Workshops ergab einen durchschnittlichen Frauenanteil von 50% (die Verteilung von Gesang und Instrumenten entspricht in etwa den Verhältnissen an den Musikhochschulen). Aus dem relativ hohen Teilnehmerinnen-Anteil in Workshops schließe ich, dass eine aktive Beschäftigung mit Jazz für Frauen attraktiv ist.

Vor allem durch die hohen Anteile an Improvisation, individueller Interpretation und Kommunikation ist Jazz ein potentielles Medium, durch musikalisch-persönlichen Ausdruck zu einer Identitätssteigerung und zu einem intensiveren Lebensgefühl zu gelangen. In meiner Untersuchung gehe ich auch auf die Frage ein, inwieweit ein institutioneller Ausbildungsgang wie das Musikstudium mit seinen recht hoch angesetzten Leistungskriterien die Originalität und die Freiheit, die den Jazz ausmachen, überhaupt fördern kann. Improvisation, Freiheitsdrang und Risikobereitschaft kennzeichnen nicht nur den Jazz, sondern auch das Leben vieler JazzmusikerInnen. Daher bieten Workshops eine Alternative zur institutionellen Ausbildung (kombiniert mit Einzelunterricht und/oder autodidaktischem Lernen), da sie je nach momentanem Bedarf genutzt werden können. Auch in ihren Methoden stellen sich viele Workshops als Alternative zur institutionellen Ausbildung dar, vor allem jedoch durch das weitgehende Fehlen einer Zugangsschwelle und sehr niedrig angesetzte (oder fehlende) Leistungskriterien. Vor dem Hintergrund der spezifischen Eigenschaften einer akademischen Ausbildung und der Workshop-Szene gehe ich der Frage nach, warum es für viele Frauen leichter ist, Jazz in der Workshop-Szene zu erlernen. Trotz des hohen weiblichen Zulaufs in Workshops prägen jedoch nur wenige Frauen die musikkulturelle Landschaft im Bereich Jazz mit. Welche innere und äußere Hürden halten sie davon ab? Welche Faktoren halten viele Frauen davon ab, Musik zu studieren? Welche Möglichkeiten haben Musikhochschule und Workshop-VeranstalterInnen, auf die Unterrepräsentation von Frauen im Jazz Einfluss zu nehmen?

Um diese und andere Fragen zu beantworten, habe ich 21 Jazzmusikerinnen (Studentinnen/ Absolventinnen sowie Workshop-Teilnehmerinnen) persönlich oder telefonisch interviewt. Der Interview-Fragebogen enthält dabei qualitative sowie quantitative Anteile und ist eine Mischform aus offenen und geschlossenen Fragen.

Die Ergebnisse sind recht vielschichtig, da ich sehr unterschiedliche musikalische Persönlichkeiten vorfand. Vor allem für die jüngere Generation wird es zunehmend selbstverständlicher, dass Frauen Jazz auf Instrumenten spielen und dabei auch berufliche Erfolge haben. Es offenbarten sich mir andererseits aber auch große innere und äußere Hürden auf dem Weg vieler Frauen zu musikalischer Selbstverwirklichung. Ausgehend von den Befragungsergebnissen zeige ich am Schluss der Arbeit auf, wo Musikhochschule und Workshop-Szene auf die Geschlechterdifferenz Einfluss nehmen können, und wie gezielte Förderungsmaßnahmen aussehen sollten.

Kontakt: anja-herold@t-online.de (Anja Herold)

 

Das Inhaltsverzeichnis

A Grundlagen, Ausgangsdaten und allgemeine Forschungsfragen

1 Das Jazz/Popularmusikstudium in Deutschland

1.1 Die Musikhochschulen/Konservatorien

1.2 Das Studium

1.3 Die Aufnahmeprüfung

1.4 Studieninhalte

1.5 Universitäre Ausbildung und Beruf

1.6 Das Berufsbild

1.7 Zur beruflichen Situation von Jazzmusikerinnen

2 Frauen im Jazz/Popularmusik-Studium in Zahlen

2.1 Lehrende

2.2 Studierende

3 Die Workshop-Szene in Deutschland

3.1 Definition Workshop

3.2 Wer veranstaltet Workshops?

3.3 Alternative und etablierte Workshops

3.4 Frauenworkshops

3.5 Die Jazz/Rock/Pop-Amateur-Szene

4 Frauen in Jazz/Rock/Pop-Workshops in Zahlen

5 Allgemeine Forschungsfragen

B Konzeption der Interviews

1 Auswahl und Beschreibung der Methode

1.1 Struktur der Fragen

1.2 Struktur des Interviews

1.3 Auswahlkriterien der Stichprobe

1.4 Durchführung des Interviews

2 Frauen lernen Jazz an Musikhochschulen und in Workshops / Herleitung der Interview-Fragen

2.1 Allgemeiner Teil (Teil A)

2.2 Zu Frage 1 und 2 (Teil B): Motive: Musikalische Selbstverwirklichung und musikalische (Berufs)-Qualifikation

2.3 Zu Frage 3, 4 und 5: Inhalte des Musikstudiums und der Workshops / Jazz als persönliches Ausdrucksmittel

2.4 Zu Frage 6, 7 und 8: Konkurrenz- und Leistungsdruck / Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen

2.5 Zu Frage 9: Kombinierte und alternative Inanspruchnahme von Workshops und Studium

2.6 Zu Frage 10: Welche Bedeutung haben Frauen-Workshops für den musikalischen Werdegang der Musikerinnen?

2.7 Zu Frage 11 und 12: Einflussmöglichkeiten der Musikhochschulen und der Workshop-Szene auf die Unterrepräsentanz von Frauen im Jazz

C Auswertung

1 Ablauf der Interviews

2 Befragungsergebnisse

2.1 Ergebnisse aus Teil A der Interviews

2.1.1 Interviews mit Studentinnen/Absolventinnen

2.1.2 Interviews mit Workshop-Teilnehmerinnen

2.2 Ergebnisse aus Teil B: Frage 1 und 2

2.2.1 Interviews mit Studentinnen/Absolventinnen

2.2.2 Interviews mit Workshop-Teilnehmerinnen

2.3 Ergebnisse aus Frage 3, 4 und 5

2.3.1 Interviews mit Studentinnen/Absolventinnen

2.3.2 Interviews mit Workshop-Teilnehmerinnen

2.4 Ergebnisse aus Frage 6, 7 und

2.4.1 Interviews mit Studentinnen/Absolventinnen

2.4.2 Interviews mit Workshop-Teilnehmerinnen

2.5 Ergebnisse aus Frage 9 und 10

2.5.1 Interviews mit Studentinnen/Absolventinnen

2.5.2 Interviews mit Workshop-Teilnehmerinnen

 

2.6 Ergebnisse aus Frage 11 und 12

2.6.1 Interviews mit Studentinnen/Absolventinnen

2.6.2 Interview mit Workshop-Teilnehmerinnen

3 Interpretation der Ergebnisse

3.1 Motive und Gründe

3.2 Konkurrenz- und Leistungsdruck/Diskriminierung von Frauen an
der Musikhochschule

3.3 Konkurrenz- und Leistungsdruck/Diskriminierung in Workshops

3.4 Frauenworkshops

3.5 Innere und äußere Barrieren

3.6 Einflussmöglichkeiten der Musikhochschulen auf die Unterrepräsentation von Frauen im Jazz

3.7 Einflussmöglichkeiten der Workshop-Szene auf die Unterrepräsentation von Frauen im Jazz

Anhang

Abbildung 1: Ankündigung meines Saxophonquintetts für ein Jazzfestival

Abbildung 2: Ausschnitte aus der Informationsbroschüre der Hochschule für Musik und Theater Hannover für den Fachbereich Musik

                                        Interview-Fragebögen