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Joachim Ernst Berendt: Meditation und Mantra (aus "Nada Brahma")

1. Japan, China, Zen-Buddhismus: Koans sind Formeln, Fragen, Aufgaben, die den Anschein der Rationalität erwecken und doch rational nicht lösbar sind. Gelöst werden können sie allein in der Meditation. Jeder kann sie nur für sich selbst lösen (S. 28):

Wenn du auslöschst Sinn und Ton - was hörst du dann?

Ein Ton auch jenseits aller Musik. Und doch der Ton, der aller Musik zugrunde liegt und dem alle Musik nachspürt (S. 36).

2. Tibet, Indien, Tantra-Buddhismus: Viele meditieren über ein Mantra. Mantras sind Wort- und Silbenklänge. Der große weise Govinda spricht vom Mantras als Urlaut und archetypischem Wortsymbol. Das größte aller Mantras ist das OM.

Besonders eindrucksvoll singen es die tibetischen Mönche. "Dieses Mantra ist das mächtigste. Seine Kraft kann allein schon Erleuchtung vermitteln" (Upanischaden):

OM ist die innere Musik der Seele....

Verwirkliche dich durch OM.

Denke immer an OM ...

Betritt das Schiff OM.

Segle auf ihm...

Und lande wohlbehalten in der wunderbaren Stadt des Ewigen Brahma" (S. 39).

3. Persien, Türkei, Sufi: Wazifa. Die Wazifas der Sufi werden meditierend wiederholt wie die Mantras der Inder. Ihre Wurzelsilben sind vor-arabisch (semitische Ursprache, aus der sich Arabisch und Hebräisch entwickelt hat). Klang ist "Nahrung der Seele" (Ghiza-i-ruh). "Arbeite mit dem Klang, bis du vollkommen in Staunen gerätst, daß du einen solchen Klang hervorbringen kannst, und du dich wunderst, warum gerade du das Instrument bist, auf dem der göttliche Flötenspieler seine Töne formt... Gebrauche die Obertönme als Jakobsleiter, um aufzusteigen. Werde selbst reine Vibration jenseits des Raumes (S. 44-45).

4. Katholisches Abendland (Mittelalter bis heute): Formeln des Ordinarium Missae. Die Mantras der christlichen Welt sind Amen, Halleluja, Hossanna, Kyrie Eleison, der Rosenkranz (S. 50). - Auch evangelische Musiker nehmen das christliche Mantra auf (Bach, Brahms).

5 Deutsche Romantik: das Zauberwort. Vom Zauberwort ist in den Märchen und Sagen fast aller Völker der Erde die Rede. Auch in unserer ureigenen Überlieferung. Das Zauberwort ist das Mantra.

Die Bruchlosigkeit der Übergänge vom Klang und vom Laut zum Wort und zur Sprache spielt auch in dem Werk, das für Generationen von Germanisten zum Schlüsselwerk wurde, eine entscheidende Rolle - in Herders "Über den Ursprung der Sprache" von 1770. Für Herder war das Ohr der erste Lehrmeister der Sprache. "In allen Sprachen des Ursprungs tönen noch Reste dieser Naturtöne... Sprache ist die Weiterführung der Schöpfung" (S. 52-53).

Schläft ein Lied in allen Dingen

die da träumen fort und fort,

und die Welt hebt an zu singen,

triffst du nur das Zauberwort" (Eichendorff).