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Helgard Fuechsel
Funktion der Musik in interkulturellen Radiosendungen - am Beispiel "Daheim in der Fremde" auf Radio Bremen Zwei
Eine inhaltsanalytisch und qualitativ-empirische Untersuchung
Leitende Frage: Erreicht die Sendung "Daheim in der Fremde" (Radio Bremen 2, samstags 13-14 Uhr - auch auf "Funkhaus Europa" zu empfangen) das selbst gesetzte Ziel der "Integration" zu dienen?
"Integration" wird verstanden als "Aushandeln von Kompromissen" in der multikulturellen Situation Deutschlands.
"Daheim in der Fremde" ist die wohl älteste deutsche regelmäßig ausgestrahlte Sendung, die sich mit "interkultureller Zielsetzung" systematisch in deutscher Sprache an alle in Deutschland lebenden Menschen richtet. Die Musik im Rahmen dieser Sendung und Zielsetzung kann folgende Funktionen haben:
- die der schlichten "Hörerbindung" ("einschalten - dabei bleiben - zuhören"),
- die der Informationsvermittlung, Erweiterung von Kenntnissen über Musik der Welt,
- Schaffung emotionaler Bezüge zu fremden Kulturen und den Wortbeiträgen der Sendung,
- die einer Identifikationsmöglichkeit für Liebhaber oder Angehörige einer bestimmten Kultur oder
- die einer Identifikationsmöglichkeit mit der Gemeinde von Weltmusik, der "musical globetrotters".
Die Inhaltsanalyse der Sendungen erbringt das Ergebnis, daß im Grunde alle Funktionen möglich und zumimdest intentional auch vorhanden sind, allerdings mit gewissen Ausnahmen:
- unterrepräsentiert in der Sendung ist Musik der größten Gruppe von Ausländern im Sendegebiet (der Türken), wobei die Redakteure hierfür verschiedenen Gründe angeben können,
- der Bezug zwischen Wortbeiträgen und Musik ist extrem schwankend,
- explizite Information über oder Bezugnahme auf die gesendete Musik findet nur in ca. 50% der Fälle statt,
- der Trend geht eindeutig weg von (kulturell genau bestimmbarer) Folklore oder traditioneller Kunstmusik hin zu Popular Music, zu Ethno-Pop oder Weltmusik im gängigen Sinne,
- die Magazinform setzt der inhaltlichen Botschaft formale Grenzen.
Ergänzend ergibt die qualitative Befragung von 9 HörerInnen, daß
- genauere Kenntnisse über die gesendete Musik so gut wie nicht vermittelt wird, aber gewünscht ist,
- die meisten HörerInnen die Sendung durchaus "weltoffen"nutzen,
- sich aber die Hörhaltungen durch die Sendung kaum ändern,
- die Wortbeiträge den meisten HörerInnen wichtiger als die Musik sind,
- die Sendung aber insgesamt die "Integrations"-Ziele auch dann erfüllt, wenn sie nur nebenbei und "zur Unterhaltung" gehört wird.
Offen bleibt nach dieser Untersuchung die Frage, die nur durch eine quantitative Hörerbefragung größeren Stils beantwortet werden könnte: Ist der Magazincharakter der Sendung, der vor allem im Musikbereich zur Beliebigkeit tendiert, ein geeignetes Forum für das "Aushandeln von Kompromissen" in der multikulturellen Gesellschaft - im Sinne der Zielsetzung von "Integration"? Eine bejahende Antwort würde vor allem die Dimension "Hörerbindung", eine verneinende Antwort eher die Dimension "Information" der vorliegenden Unterschung gewichten. Entlang der Dimension der "emotionalen Bindung" oder "Identifikation" dürfte eine empirische Feststellung schwer fallen - und wird die Antwort wohl eher aufgrund qualitativ psychologischen Theorien darüber, wie emotionale Prozesse und Identifikationen ablaufen, zu ermitteln sein.
Info unter helgard.fuechsel@mail.uni-oldenburg.de