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Daniela Benne:

"Lieder als aller Welt" in Musiklehrewerken für die Grundschule - Bestandsaufnahme und kritische Analyse

Untersucht wurden die Grundschul-Musikbücher "Unser Musikspielbuch", Mikado, Duett, Rondo, Fidelio, Kolibri und Zauberklänge. Erfasst und ausgewertet wurden 700 Lieder. Die leitende Frage war, ob bzw. inwiefern aktuelle Forderungen einer interkulturellen Musikerziehung (IME) sich in den Musikbüchern (Schüler- und Lehrerband) auffinden lassen. Speziell wurde unter den Aspekten

ausgewertet. Einige Ergebnisse:

78% der Lieder stammen aus Deutschland, 22% verteilen sich auf 47 Länder. USA 27, England 26, Frankreich 18, Türkei 13, Spanien 8, Griechenland 5, Italien  6, Russland/Ghana/Israel 4. Nur die große Präsenz türkischer Lieder spiegelt einem Aspekt IME wider (ethnische Zusammensetzung der BRD bzw. der Schulklassen). - Die türkische Musikkultur ist teilweise professionell behandelt (was auf Irmgard Merkts Autorinnenschaft zurück zu führen ist), allerdings erscheint die stereotype Forderung, türkische Kinder sollten sich als Experten "ihrer Kultur" erweisen, als unrealistisch und nicht mehr auf dem Stand der pädagogischen Diskussion (Problem der 3. Generation, Multikulturalität, Überforderung). - Afrika ist relativ schwach vertreten. Oft scheinen Beiträge voneinander abgeschrieben zu sein. Die Gefahr der folkloristischen Verniedlichung ("trommelnd leben die Kinder im Urwald") besteht nach wie vor. - Die über 50 Lieder mit englischem Text werden praktisch nie auf ihren kulturellen Hintergrund projiziert. Dabei sind die Bücher keineswegs frei vom "Indianerklischee" oder Cowboyromantik. Einige Ausnahmen bestätigen die Regel (Kolibri). - Besser ausgearbeitet sind Lieder zur Weihnachtszeit. Hier ist am ehesten ein interkultureller Ansatz zu finden.

Insgesamt hat die aktuelle Diskussion um IME allenfalls in proklamatorischen Äußerungen der Lehrerbände, nicht jedoch in den konkreten Unterrichtsmaterialien einen überzeugenden Niederschlag gefunden. Ansatzpunkte für IME gibt es genügend, diese müssten aber weiter entwickelt werden. Die multikulturelle Situation in der BRD wird offensichtlich nur auf einer naiven Ebene (""erzählt mal etwas von 'Eurer' Musik!"), die Präsenz osteuropäischer Kinder gar nicht und die Tatsache, dass auch USA, England, Frankreich etc. eine "eigene" Kultur besitzen, so gut wie nicht berücksichtigt. Auch wenn Bemühungen zu erkennen sind, Rassismus und Vorurteilen entgegen zu wirken, täuscht das bunte Outfit der Bücher täuscht über einen Mangel an didaktischer Reflexion hinweg.

Information: Daniele Benne. - Hintergrund zur aktuellen Diskussion interkultureller Musikerziehung.