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Eckhard Harms: 

Einflüsse von Weltmusik auf Peter Gabriels Popmusik

Peter Gabriel ist als Organisator von WOMAD und Leiter des "Realworld-Records"-Labels bekannt geworden. In seiner Solosänger- und Komponistenkarriere spiegeln sich die Erfahrungen mit diesen Weltmusik-Projekten wider. Oft liest man das Klischee, wonach sich Gabriel nach seiner "Progressive Rock"-Zeit der "World Music" zugewandt und letztere als neues Markenzeichen in seine eigne Popmusik integriert hätte. Gabriel wird daraufhin mit der bekannten "Imperialismus"-Schelte eingedeckt: seine Musik sei New-Age-lastig, profillos und kulturell heimatlos. Als Ideal dieser Schelte gilt einerseits eine irreale Vorstellung von Authentizität, andererseits die heroische Zeit einer an E-Musik orientierten "progressiven" Rockmusik.

Eckhard Harms untersucht in der vorliegenden Arbeit die Einflüsse von Weltmusik auf das "genuine" Popmusik-Schaffen Gabriels. Im Zentrum dieser Untersuchung stehen Analysen jener Werke, in denen erkenntlich Einflüsse außer-rockmusikalischer Kulturen zu erkennen sind. Es zeigt sich, dass solche Einflüsse nur in wenigen Werken Gabriels explizit auszumachen sind. Die konkreten Kontakte, die Gabriel über WOMAD und Realworld-Records aufgebaut hatte, sind nur teilweise in seinem Popmusik-Schaffen wirksam. Im Kern ist Gabriel ein klangexperimentierender Komponist geblieben, der sich allen ihm zur Verfügung stehenden Genres, Anregungen und Technologien (vom Fairlight zum modernen Software-Sampler) geöffnet hat. Die Analysen zeigen, dass Gabriel mit allen möglichen Technologien und Herangehensweisen an "fremde Kulturen" gearbeitet hat. Von der einfachen Zitate-Usurpation mittels Sampler über Mehrstimmigkeit (Gabriel mit Nasrat Fateh Ali Khan) und reiner Koloristik durch ungewöhnliche Sounds bis hin zu Polyrhythmik oder echten Kooperationsprojekten ("Passions") mit inhaltlicher Intention.

Eckhard Harms, dass Gabriel kein "Weltmusiker", sondern ein vielseitiger Experimental-Komponist ist, dessen Produktionen zwischen Hitparaden-Ambitionen und Avantgarde hin- und her pendeln. "Qualitätsfragen" und Wertungen blendet Eckhard Harms aus.  Die Basis der Argumentation bildet die Darstellung des künstlerischen Ansatzes Peter Gabriels im "progressiven" Rock von Genesis. Hiervon hebt dann die Analyse ausgewählter Aspekte späterer Kompositionen ab. Auf dem Weg zum Gesamtresultat werden eine Reihe von Teilergebnissen erzielt: Gabriel verwendet afrikanische Rhythmik eher als "Sound" denn als "Struktur", überhaupt werden ungewöhnliche Instrumente überwiegend klanglich und weniger strukturell eingesetzt. Er kennt kein einheitliches Verfahren im Umgang mit "Fremdem". Dies "Fremde" wird selten zur Schau gestellt, sondern häufig (z.B. als Gesangsgestus) integriert. Reduktion der Harmonik könnte als das wesentlichste Merkmal von Gabriels "Weltmusik-Stil" bezeichnet werden (weite Strecken ohne Akkordwechsel). In seinen "genuinen" Produktionen - d.h. solchen, die nicht Filmmusik etc. betreffen - gibt sich Gabriel als eigenständiger Musiker.

Die vorliegende Arbeit bettet Analysen (die nicht "vollständige" Kompositionsanalysen darstellen, sondern lediglich die weltmusikalisch relevanten Aspekte herausholen) in ein Umfeld von Begriffsklärungen ein: "Weltmusik", "Authentizität", "Progressive Rock". Da sich die Arbeit mit dem "genuinen" Popmusik-Schaffen Gabriels beschäftigt, entfällt eine umfangreiche Auseinandersetzung mit den WOMAD- und Realworld-Records-Aktivitäten Gabriels.

Die ausführlicher analysierten Titel:

Supper's ready
No self control
Across the river
San Jacinto
The rhythm of the heat
Mercy street
Passions
The feeling begins
Come talk to me
Fourteen black paintings
Only us
Signal to noise