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„Einstieg" durch Musikpraxis

Der Schnittstellenansatz in der „interkulturellen Musikerziehung" nach Irmgard Merkt 1993:

1. Voraussetzung für interkulturelle Musikerziehung ist eine wissenschaftlich qualifizierte Auseinandersetzung mit den Musikkulturen der Welt, mit ihrem musikalischen Material, d. h. mit ihrer Ordnung der Tonhöhen und Tondauern, mit ihrem Gebrauch von Klangfarbe und Lautstärke, mit ihren Vorstellungen von und Gedanken über Musik, mit ihrem Musikleben.

2. Der Blick auf die andere Kultur ist gleichzeitig der Blick auf die eigene. Die Suche nach musikalischen "Schnittstellen", nach tatsächlichen Gemeinsamkeiten ist der naheliegende Schritt. Schnittstelle ist musikalisches Material, das von deutschen und ausländischen Kindern und Jugendlichen so musiziert werden kann, daß die jeweiligen spezifischen Merkmale der Musikkultur erhalten und respektiert bleiben. Ausgehend von Gemeinsamkeiten werden später die Unterschiede der Musikkulturen deutlich herausgearbeitet.

3 . Interkulturelle Musikerziehung beginnt mit Musikmachen, nicht mit Musikhören.

4. Das gemeinsame Musikmachen geht über in die Reflexion, geht über in den interkulturellen Vergleich. Vergleichsthemen sind zunächst Musikinstrumente und Lieder.

5. Musikmachen und Singen ist Gesprächsanlaß. Thematisiert werden Liedinhalte, thematisiert wird Bedeutung und Gebrauch von Liedern und Musikinstrumenten, thematisiert wird das Musikleben im öffentlichen und privaten Bereich, thematisiert werden Märchen und Mythen, die von Musik erzählen.

6. Der musikpraktischen Annäherung an unterschiedliche Musikkulturen folgt die Annäherung durch das Hören. Der Weg geht hier vom Bekannteren zum Unbekannteren.

Anmerkung: Die Praxis zeigt, dass der Weg vom Musizieren zum „Gespräch", vom Gemeinsamen zur Differenz, schwierig ist und selten realisiert wird. Mit dem zum Musizieren hinzukommenden szenischen Spiel wird der Übergang GemeinsamesÒ Fremdes/Unterschiedliches einfacher und in einen einzigen methodischen Schritt verlagert (der sog. „erweiterte Schnittstellenansatz").

Eine andere Kritik am Schnittstellenansatz ist die der jüdischen „Authentiker", die sagen: Der Respekt vor anderen musikalischen Systemen manifetsiert sich in der Genauigkeit des Umganges mit diesen. ... Klezmer vereinfacht nachzuspielen ist ein Beleg für die Weigerung, sich auf eine andere, „fremde" Kultur einzulassen und deren Bedingungen aus dem ihr eigenen Umfeld zu begreifen. (Aus Ottens/Rubin: Jüdische Musiktraditionen, Kassel 2001, S. 13.)

1. Einstieg zum Original Playback: Off-Beat lernen und Formgefühl

2. Die Skala und Melodieteile verinnerlichen (durch Call and Response einzelner Abschnitte):

3. Das ganze Stück auswendig und arbeitsteilig spielen:

3.1. Melodie (schwierig)

3.2. Harmonisch korrekte Begleitung (mittel)

3.3. Percussionsbegleitung (leicht): siehe oben!

 

4. Vergleich der eigenen Interpretation mit dem Original von 1911!

Verzierungstechnik im Original besprechen, analysieren, nachahmen.

Wie sieht eine traditionelle Klezmer-Band aus? Bilder verwenden und erarbeiten lassen. Welche Instrumente sind zu sehen? Welche Haltungen nehmen die Musiker ein?

Eventuell eine weitere musikalische Aufführung mit der Besetzung der Bilder versuchen - was vom original Tonbeispiel erheblich abweicht.

Szenisches Spiel zu den Bildern, zur Haltung etc. (Siehe auch die weiterführende Unterrichtseinheit mit Standbildern zu verschiedenen Interpretationen desselben Stücks!)

 

Der komplette Aufsatz von Irmgard Merkt mit einer Erweiterung aus dem Jahr 2001 steht im Internet unter www.uni-oldenburg.de/~stroh/lateinamerika/merkt.htm. Von der Indexseite „lateinamerika/" aus erreicht man auch einen einschlägigen Text von Volker Schütz und zwei Texte von Wolfgang Martin Stroh zum Problem (letzterer zum erweiterten Schnittstellenansatz).

 

Weitere Einzelheit: siehe UE 1 der Materialien "Spiel Klezmer, spiel!"