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Zur Methodik!

Hausaufgabe 3

Hans Heinrich Eggebrecht: "Musik im Abendland" (1991):

Genauer müssen wir sagen, daß die Musikpraxis zwar der Theorie vorausgeht, jedoch zu Theorie gelangen möchte und - was auch entscheidend ist - gelangen kann.... Sie ist theoriefähig (S. 13).

Aber es gab eine Zeit, in der dies anders gewesen ist, und im Mittelpunkt dieser Zeit steht das 9. Jahrhundert. ... [1] Der theoretische Zugriff, das rationale Durchdringen der Musik, beschnitt den Wildwuchs, setzte dem blinden Usus ein Ende, zwang das Naturwüchsige in die Richtung des Kunstmäßigen.... [2] die Überlieferung begann. ... [3] Musik erlangt Sprachfähigkeit, die sie an Geschichte teilnehmen läßt ... der verordnete Transport [des gregorianischen Chorals] in die Völkerschaften des Frankenreiches erforderte die Lehrbarkeit ... bei diesem Prozeß stand die antik-griechische Musiktheorie Pate (S. 15).

Die Vereinheitlichung, die Festlegung und Sanktionierung des Chorals bedeutete nun allerdings dessen Erstarrung: Der Choral war im wesentlichen unantastbar geworden. Aber der Wunsch, Neues zu schaffen, das schöpferische Moment, fordert sein Recht (S. 16).

 

Helmut Rösing „Sonderfall Abendland" (Musikpsychologie. Ein Handbuch, 2002):

Ausgangspunkt einer eigenständigen Entwicklung der abendländischen Musik ist der Drang zur schriftlichen Aufzeichnung in einem Notationssystem, das es in dieser Form in anderen Kulturen nicht gibt. Die Entwicklung der westlichen Notation vollzog sich in mehreren Abschnitten vom 9. bis zum 16. Jahrhundert.

Die Verlagerung von mündlicher Überlieferung und gedächtnismäßiger Innenspeicherung zu schriftlicher Fixierung und personenfremder Außenspeicherung stellt einen folgenreichen Eingriff in den musikalischen Schaffensvorgang dar. Notenschrift wird zu einer wesentlichen Voraussetzung für die Aktivierung von musikalischer Produktivkraft. Erst die Einzelton-Notation ermöglichte die Entfaltung der Komposition als einer mehrfach reflektierten, von memorialer Tradierung abgehobenen Form musikalischen Produzierens. Sie führte zu komplexer Strukturbildung und Mehrstimmigkeit, zu Motivverarbeitung und Themenentwicklung, -variation, -umgestaltung in langen Zeitabschnitten, zur Bildung von rational begründeten Kompositionsregeln. Notation erlaubte die Befreiung aus den Fesseln der althergebrachten Stereotype mündlicher Überlieferung. Sie ist grundlegende Voraussetzung für die Entstehung anspruchsvoller Kompositionstechniken und einer Vielfalt von Gattungen und Stilen. Neuheit wurde anstelle von tradierten Melodien, Rhythmen, Formen zum Synonym für Qualität.

Durch die Verschriftlichung gelangte die abendländische Musik aus dem Kreislauf von mündlicher Tradierung und Variantenbildung zu völlig veränderten Zirkulationsbedingungen. Komponist und Interpret brauchen nicht mehr identisch zu sein. Das musikalische Produkt wird zum selbständigen Gegenstand, zu einem Werk, das vielfältig reproduzierbar ist und Warencharakter erhält.

 

Aufgabe:

Beide Autoren versuchen, die „weltweit einmalige" Besonderheit der abendländischen Musik zu beschreiben und zu begründen.

 

Wie lese ich einen wissenschaftlichen Text - und welche Ergebnisse habe ich bei der vorliegenden Hausaufgabe?

  1.  Reproduktion: Sätze und Worte unterstreichen ("intuitiv")

  2. Verstehen: Sätze umformulieren, ein Stichwort oder einen Sammelbegriff finden, eine Skizze anfertigen

  3. Systematisieren: beispielsweise die beiden Texte einander gegenüberstellen

  4. Kritik: an Sachaussagen, an Inhalt und Ziel, an der (impliziten) Wertung, am Paradigma, an der Motivation des Autors

  5. Anwendung und Transfer: mit anderen Theorien in Verbindung setzen, Praxis, den Sinn auf neue Erscheinungen übertragen

Ergebnis von Schritt 3:

Eggebrecht: Theorie Rösing: Notation
Musik "möchte" Theorie der "Drang" zur schriftlichen Augzeichnung
blinder Usus zur Kunstfähigkeit orale Tradition zur abgehobenen Produktion
"Geschichte" beginnt, Entwicklung (in dieser Art) einmalig in der Welt
"veordnete Herrschaft"  
Wunsch Neues zu schaffen Neuheit wird Qualität
  Werk und Warencharakter

 

Ergebnis von Schritt 4; siehe Blatt 7!