ear.gif (9574 Byte)12. Stunde: 19.01.2001

Thema: Rezeptive Musiktherapie - Regulative Musiktherapie (Teil II)

Referat:

Das Problem der Musikauswahl (in der rezeptiven Musiktherapie)

Aktivitäten:

Musikhören
Feedbackgespräch: Selbstwahrnehmung, Gefühle, Körperbefinden, differenzierte Selbstwahrnehmung

Musikauswahl:

Johannes Brahms: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1, d-moll, Op. 15, 3. Satz (Länge 12:33)

Regulative Musiktherapie, Teil II:

Selbstwahrnehmung: Körperwahrnehmung, Bilder, Befindlichkeit

differenzierte Selbstwahrnehmung.

Theorie

Institution, Raum, Zeit, Zeitraum, Zeitplan, Leiter/Co-Leiter, Einzeltherapie, Gruppentherapie.

Formen der Musiktherapie

 

Auf vielfachen Wunsche einige Bemerkungen zu
"Rezeptive Musiktherapie - regulative Musiktherapie"

Die Regulative Musiktherapie (RMT) ist eine ganz spezielle Form der rezeptiven Musikteharpie. Es gibt noch viele andere Formen der rezepetiven Musiktherapie, z.B. Strobels trance-induzierende Musiktherapie oder das Guided Imagery and Music (GIM, siehe 13. Stunde!), die "Tagtraumreisen" von Meyberg (siehe 10. Stunde) usw.

Die Eintelung "aktive" und "rezeptive" Musiktherapie bezieht sich nur auf ein bestimmtes musiktherapeutisches "Handlungsprinzip" (PatientIn macht selbst Musik - hört auf Musik) - ich würde lieber sagen "Handlungsweise" -, sie ist keine systematische Einteilung nach Therapiekonzepten oder Methoden. Viele Konzepte verwenden aktive und rezeptive Handlungsweisen.

Das Besondere der RMT ist, daß sie zwei Phasen hat: (1) eine rein rezeptive Phase des ungelenkten Musikhörens und (2) das Gruppengespräch zwecks Beschreibung der Wahrnehmungsinhalte. Im Gespräch dürfen die Wahrnehmungen nicht  gedeutet werden - weder von der TherapeutIn, noch von der Gruppe. Dies nennt Schwabe "akzeptierende Wahrnehmung". Die Wahrnehmung soll sich im Laufe der Zeit weiter entwickeln. Schwabe: "RMT fußt auf dem Handlungsprinzip einer stufenweise zu intensivierenden (akzeptierenden) Selbstwahrnehmung des Patienten" (Schwabe im Lexikon Musiktherapie1996, S. 317). Dabei sind die "Stufen" wichtig, von denen wir einige im Seminar durchgemacht haben. 

Warum, heißt das alles "regulativ"? Das Wort ist 1979 erstmals publiziert und öffentlich verwendet worden, damals mehr als Entspannungstechnik gedacht im Vorfeld einer Psychotherapie. Der Patient "reguliert" seinen Erregungszustand "nach unten" wie ein Thermostat (= Regelkreis) die Temperatur. Dabei wurde im Gegensatz zu anderen Entspannungstechniken nicht nur auf die Körperwahrnehmung (klassisch beim autogenen Training: Schwere und Wärme), sondern auch auf Gefühle u.a. geachtet. Aus der Hilfsfunktion wurde aufgrund dieser Erweiterung der Selbstwahrnehmung in den 80er Jahren ein eigenes  - nach Schwabe "geradezu tiefentherapeutisches" - Konzept. Der Terminus "regulativ" ist geblieben, obgleich die einfache Thermostat-Funktion weggefallen ist.

Gehen wir unseren Kurs mal durch, so hat Karin Böseler mit den tragenden Zielen "Selbst- Fremdwahrnehmung" bei fast allen "Aktivitäten" (= Handlungsprinzipien) einen "Schwabe-Ansatz" praktiziert, obgleich wir die meiste Zeit nicht rezeptiv, sondern "aktiv" gearbeitet haben. Dies zeigt, daß das zentrale Anliegen der Schwabe-Methode das "Wahrnehmungstraining" ist und dies mit allen möglichen Handlungsprinzipien verfolgt werden kann. 1997 hat sich Schwabe in einem Interview ärgerlich darüber geäußert, das im Westen ("alte Bundesländer") die RMT aus seinem "Methodensystem" herausgebrochen und "als das Nonplusultra" der Ost-Therapie betrachtet wird. (Man lese in "Musik, Magie & Medizin", hg. von Lutz Berger. Junfermann, Paderborn 1997, S. 154.157.)

(Wolfgang Martin Stroh)


Protokoll

Diskussion zum Referat:

Wie werden die kategorischen Äußerungen (zur "Brauchbarkeit klassischer Musik" usw.) eigentlich bewiesen, wie werden solche Erkenntisse gewonnen? Die im Referat vorgetragene Meinung ist in mehrerer Hinsicht durchaus umstritten: (1) Die Meinung gilt nur für eine rezeptive Musikterapie, die Tonträger einsetzt, sie gilt nicht für eine rezeptive Musiktherapie, bei der die TherapeutIn ein Instrument selbst spielt (z.B. bei der trance-induzierenden MTh nach Strobel, der schöpferischen MTh nach Nordorff-Robbins usw.), (2) sie ist durch empirische musikpsychologische Forschung eher widerlegt als belegt, vor allem scheint es keine von Zusatzfaktoren unabhängige Musikwirkung zu geben ("entspannend" wirkt seditative Musik nur, wenn bereits eine gewisse Ruhe da ist, sonst wirkt eher aktivierende Musik entspannend - nach Gembris 1985). (3) Gerade Schwabe wird oft der Vorwurf gemacht, er kenne eben nicht sehr viel Musik. Karin Böseler berichtet, dass sie erheblich mehr Musik als die genannte einsetzt. (4) Es gibt viele MusiktherapeutInnen, die den Einsatz von Tonträgern grundsätzlich ablehnen. Hier stellt sich die Frage nach "Musiklauswahl" dann ganz anders oder gar nicht.

 

Bebobachtungen bei der rezeptiven Musiktherapie:

Alle GruppenteilnehmerInnen liegen auf dem Boden, bei Bedarf können Augen geschlossen werden. Kurz auf Atem hören, zur Ruhe kommen.

Danach wird die Musik gespielt. Die TN scheinen konzentriert zuzuhören, wie in der Vorstunde wenig Körperbewegungen, kaum Hüsteln oder Unruhe zu spüren.

 

Feedback: "Was habt Ihr wahrgenommen?"

Zuerst wird von mehreren TeilnehmerInnen Kälte wahrgenommen. Eine Teilnehmerin berichtet, ihr sei kalt gewesen, andere bestätigen das. Wieder wird von Bildern berichtet, Klavierspieler, der auf dem Klavier spielt, sieht sogar die Hämmer auf die Klavierseiten schlagen, andere berichten von intensiver Musikwahrnehmung, beschreiben die Musik, Wechsel zwischen dynamisch, hektisch, trippelnd und ruhig, einer Teilnehmerin war das Stück zu lang. Auch einige Musikinstrumente (Klavier, Celli, Violinen) wurden benannt. Auch Gedanken wurden benannt, über den bevorstehenden Tag wurde nachgedacht, Alltagserlebnisse.

Nachfrage (Spiegeln) nach Körperwahrnehmung: "Welche Aussagen über Körperweahrnehmungen sind von den TeilnehmerInnen bisher getroffen worden?" Antworten und Ergänzungen: Kribbeln am Körper, Hand eingeschlafen, Herzrasen, Körper schwer und entspannt, Gänsehaut, Kälte.

Rückfrage von Stroh: Wer hat beim Hören "strukturell" oder sonst irgendwie "professionell" gedacht? Antworten: So gut wie niemand hat so gehört, wie man es in Seminaren und Kursen und in der Schule im Musikunterricht lernt. Stroh berichtet, daß er auch an den klavierspielenden Menschen, das Konzertritual und die große Mühe und Anstrengung, so ein Klavierkonzert einzuüben und zu spielen, hat denken müssen.

Insgesamt sehr vielseitiges Feedback.

Anschließend kurze Einleitung in die Theorie, Institution, Zeit, Zeitraum, Dauer, Leiter und Co-Leiter und Formen der Musiktherapie.