Mensch Musik Kosmos

Kommentierte Dokumentation eines künstlerisch-wissenschaftlichen Projekts 1991 - 2001
von Wolfgang Martin Stroh

 

Vorwort

 

MIDI heißt „musical instrument digital interface“ und steht für die seit 1983 international festgelegte Computer-Sprache, mit der digitale (computerisierte) Musikinstrumente untereinander kommunizieren. Wenn heute Computer-Musik für elektronische Musikinstrumente gemacht wird, so wird diese Musik meist in MIDI geschrieben. „Notiert“ wird solch eine Musik entweder als Algorithmus, d.h. in Form eines Programms, das MIDI-Daten erzeugt, oder mittels eines MIDI-Recording-Programms (eines sog. „Sequencers“), das MIDI-Daten so verwaltet, wie Musiker üblicherweise Musik verwalten: in Gestalt von Noten, Taktstrichen, Violin- oder Bass-Schlüsseln usw.

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 Abbildung 1: COSMORAMA heißt dieser „Knochen“ im Zeiss-Großplanetarium Berlin, der über 9000 Sterne erzeugen und kosmisch bewegen kann.

Ein Planetarium ist ein virtueller, bewegter Sternenhimmel. In einem meist halbkugelförmigen, dunklen Raum erzeugt ein von Linsen und Projektoren durchsetzter „Knochen“ (siehe Abbildung 1) bewegte Lichtpunkte an der gewölbten Fläche. Kunstvolle Programme steuern die Bewegungen der Lichtpunkte möglichst genauso, wie sich Sterne an einem nächtlichen Himmel bewegen. Das planetarische Erlebnis ist wetter-unabhängig und wird durch suggestive Hintergrundsmusik, gezielte Dia-Bild-Projektionen und andere Effekte virtueller Realität gesteigert. Die Faszination, die von diesem virtuellen Kosmos ausgeht ergreift Alt und Jung. Der Mensch schafft sich schöpfergleich ein Abbild dessen, was - nach Johannes Keplers Meinung - die weise und ordnende Tat Gottes war.

 Das MIDI-Planetarium bildet mit den Mitteln der Musikcomputerwelt den Sternenhimmel musikalisch ab. Der Input des Computerprogramms, das diese Abbildung bewerkstelligt, sind Angaben über den Stand der Gestirne. Der Output ist eine zeitliche Abfolge von MIDI-Daten, die elektronische Musikinstrumente in Töne umsetzen können. Die MIDI-Daten sind so aufgebaut, dass die erzeugten Töne das „Abbildungsgesetz“, das in den Algorithmen des Programms MIDI-Planetarium wirksam ist, musikalisch zum Ausdruck bringen. Kurz: was ein übliches Planetarium optisch-visuell macht, das macht das MIDI-Planetarium akustisch-auditiv.

 Das übliche optisch-visuelle Planetarium arbeitet mit denselben Sinneseindrücken wie die Wahrnehmung eines realen nächtlichen Sternenhimmels. Im Idealfall kann die menschliche Netzhaut nicht erkennen, ob die optisch-visuellen Reize aus dem realen Kosmos oder von den Projektoren eines virtuellen Zeiss-Apparates kommen. Beim MIDI-Planetarium werden die Ebenen der Sinneseindrücke gewechselt. Dieser Wechsel ist nicht kanonisch. Es gibt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen optisch-visuellen und akustisch-auditiven Reizen. Die meisten im aktuellen audiovisuellen Musikleben realisierten Zusammenhänge zwischen optisch-visuellen und akustisch-auditiven Sinneseindrücken spielen sich nicht auf der Ebene des Reizes oder des jeweiligen Sinnesorgans, sondern in relativ tiefen psychischen Schichten ab. Ausnahmen bilden allenfalls synästhetische Zusammenhänge und Querverbindungen unter dem Einfluss exogener oder endogener Drogen, also gezielter Veränderungen der „normalen“ (alltäglichen) Funktionsweise des Nervensystems. 


Dennoch haben viele Musikkulturen scheinbar kanonische Zusammenhänge von optisch-visuellen und akustisch-auditiven Sinneseindrücken hergestellt und etabliert. Künstler haben diese Zusammenhänge ausgestaltet, Philosophen darüber nachgedacht, Dichter sie besungen - und Komponisten sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten, gestaltet. Seit bekannt ist, dass allen akustischen Reizen Schallwellen zugrunde liegen, die sich als „Schwingungen“ beschreiben lassen, und dass allen optischen Reizen elektromagnetische Wellen (Lichtwellen) zugrunde liegen, die sich ebenfalls als „Schwingungen“ beschreiben lassen, hat es immer wieder Versuche gegeben, beide Erscheinungen auf dem Umweg über den Schwingungsbegriff miteinander zu verbinden. Für den Fall ganz einfacher „Schwingungen“ bietet sich als tertium comparationis der Frequenz-Begriff an. Eine Frequenz besitzt jede stabile (tendenziell unendlich ausgedehnte) periodische Schwingung. Der physikalische Frequenzbegriff ist grundlegend für das psychologische Phänomen der (eindeutigen) Tonhöhe und der (homogenen) Farbe - nicht mehr und nicht weniger.

 Man weiß, dass weltweit Musik und Kunst mehr ist als Tonhöhe und Farbe. Musik oder Kunst entsteht erst durch zeitliche und räumliche Anordnung, Änderung und Betrachtung von Tonhöhe und Farbe. „Form“ steht für jenen zeitlich-räumlichen Rahmen, innerhalb dessen sich Tonhöhen oder Farben tummeln können und dürfen. Doch noch mehr: Musikalische Ereignisse, die nur aus einfachen Tonhöhen bestehen, künstlerische Objekte, die nur aus homogenen Farben bestehen, gibt es nur als gezielte „Provokation“ oder Programm (z.B. die frühen elektronischen Kompositionen der seriellen Avantgarde der 50er Jahre), nicht als die Regel. Der Normalfall von Musik ist akustisch gesehen ein wildes Durcheinander von Geräuschen, Modulationen, quasi- und echt-periodischen Schwingungen, chaotischen Abläufen, sich selbst regulierenden Prozessen. In einem Klavierkonzert beispielsweise kommen periodische Schwingungen stets eingehüllt in solch ein Durcheinander vor. Nimmt man dies mit künstlichen Mitteln weg und reduziert den Klavierklang auf die periodischen Schwingungsanteile, dann entsteht eine extrem verfremdete, blutleer-phantomhafte Abfolge von Tonhöhen.

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 Abbildung 2: Die erste Veröffentlichung von Hans Cousto über "Planetentöne", 1979. Die Farb-Ton-Beziehung war eingebettet in den psychedelischen Hintergrund anthroposophischer Jugenstil-Ornamentik einer Post-Hippie-Zeit.

 

Freilich kann der spekulative, frei phantasierende und schöpferische menschliche Geist entlang der Frequenz- und Schwingungs-Analogie zwischen optisch-visuellen und akustisch-auditiven Reizen Musik und Kunst schaffen. In diesem Fall sind die physikalischen Gesetzmäßigkeiten Anregung zu künstlerischem Tun, sie sind jedoch nicht Legitimation. Die Legitimation folgt, wenn es so etwas überhaupt gibt, in einer Art gesellschaftlich-kulturellen Diskurs über die Musik- und Kunstprodukte selbst. Dass Musik oder Kunst „richtig“ bzw. „falsch“ sein kann, ist zwar nicht ganz abwegig, in keinem Falle aber so zu verstehen, dass die „Fehlerhaftigkeit“ von Musik und Kunst mit naturwissenschaftlichen Methoden festgestellt werden kann. Musik und Kunst ist „richtig“ oder „falsch“ als Erlebnis und Erfahrung der an der jeweiligen musikalischen oder künstlerischen Tätigkeit Beteiligten. Ob Musik oder Kunst „stimmen“, das wird gleichsam zwischen allen Beteiligten „ausgehandelt“. Bekanntlich ist dieser Prozess in ständigem historischen Wandel begriffen, extrem kulturspezifisch und deshalb so undurchschaubar, weil auch die Regeln des Aushandelns wieder ausgehandelt werden. Ein einfaches Beispiel: alle einigermaßen bekannten Komponisten haben die Kompositionsregeln, die zu ihrer Zeit „gültig“ waren, weder einfach befolgt noch einfach verletzt. Sie haben sie vielmehr verändert, indem sie sie verletzend befolgt haben. Das Befolgen, Verletzen und Verändern von Regeln ist ein dynamischer Prozess, der durch und durch dialektisch abläuft.

 Das MIDI-Planetarium ist ein Mittel, eine Regel über den Zusammenhang von optisch-visuellen und akustisch-auditiven Sinneseindrücken in einen dynamischen Prozess hineinzuziehen.  Die einfache, von Hans Cousto (auf der Basis einer Idee Johannes Keplers) formulierte Regel hat den suggestiven Namen „Das kosmische Gesetz der Okatv“ (Cousto spricht allerdings von der „Kosmischen Oktav“). Die Regel besagt, dass Schwingungserscheinungen wirkungsverwandt oder wirkungsgleich sind, wenn sie durch Oktavierung auseinander hervorgehen. Die Oktave als Ausdruck des Schwingungsverhältnisses 1:2 ist der Repräsentant der einfachsten zahlensymbolischen Logik, die denkbar ist. (Ein „kosmisches Gesetz der Quint“ wäre die nächst höhere Stufe, die im chinesischen, arabischen und anfangs auch abendländischen Kulturraum als „pythagoreisches Tonsystem“ tatsächlich diskutiert wurde.) „Kosmisch“ heißt das Gesetz bzw. die dabei verwendete Oktav, weil Verwandtschaften und Wirkungen für den ganzen Kosmos, nicht also nur für gewisse Kulturen auf der Erde, gültig sein sollen.

 Diese etwas mechanistische und starre Regel  hat das „MIDI-Planetarium“ dadurch dynamisiert, dass es sie einfach computergenau befolgt hat - und zwar in einer zuvor nicht vorstellbaren und von Hans Cousto selbst nicht erwarteten Konsequenz. Obgleich immer noch zahlreiche Freiheitsgrade bei dieser Computerumsetzung der Regel vorhanden sind, ist doch unzweifelhaft das MIDI-Planetarium die derzeit kompromissloseste Realisierung der Cousto-Regel. Interessanterweise passiert nun musikalisch etwas, was niemand erwartet hat. Die Musik wirkt zunächst genau so chaotisch wie die Geometrie eines Sternenhimmels. Obgleich eigentlich alles seine Ordnung hat, ist doch der menschliche Geist offensichtlich nicht in der Lage, diese Ordnung bewusst zu erkennen. Zugleich weiß der Geist aber, dass die Musik des MIDI-Planetariums regelhaft abläuft und dabei beispielsweise ein Geburtshoroskop oder die kosmische Konstellation zum Zeitpunkt eines Konzerts umsetzt. In diesem Zustand des Wissens und Nicht-Erkennens setzt das Anhören der Musik Erlebnisse frei, die zu neuen musikalischen Erfahrungen führen können.  


Die 10-jährige Arbeit im künstlerisch-wissenschaftlichen Projekt MIDI-Planetarium hatte das Ziel herauszubekommen, um welche musikalischen Erfahrungen es sich hierbei handelt. Die geheime These war, dass die musikalischen Erfahrungen nicht „immanent“-musikalisch, also im herkömmlichen Sinne „ästhetisch“ sind, sondern etwas mit - kurz gesagt - „kosmischem Bewusstsein“ zu tun haben. Solch ein kosmisches Bewusstsein bedarf aber einer ästhetischen Stimulation. Die Musik musste also nicht nur kosmisch regelhaft, sondern auch ästhetisch gut sein. Kosmisches Bewusstsein bei musikalischer Tätigkeit - Komponieren, Musik spielen, Musik hören, Musik umsetzen - kann sich, das hat das Projekt erwiesen, in vielerlei Hinsicht zeigen: 

 Wie sich im einzelnen in derartigen Fällen kosmisches Bewusstsein als musikalische Erfahrung zeigt, soll die vorliegende Dokumentation demonstrieren. Hinter jedem Fall stand ein genau kalkuliertes Setting und eine spezifische kompositorische Maßnahme. Verbindend war auf der technischen Seite das Computerprogramm, das Daten, die den Sternenhimmel beschreiben, in Musik umsetzte, und auf der kommunikativen Seite ein Konsens zwischen allen Beteiligten darüber, dass es möglich sein kann, die Einbettung des Individuums in den Kosmos in einem ganz emphatischen aber auch höchst persönlichen Sinne zu erfahren.  


Als künstlerisch-wissenschaftliches Projekt war das MIDI-Planetarium kein Labor-Experiment, sondern eine Abfolge mehrerer (etwa 120) zusammenhängender künstlerischer Ereignisse. Die musikalischen Erfahrungen, die untersucht werden sollten, waren also nicht virtuell und auf künstliche Situationen, sondern stets real und auf das Leben der beteiligten Menschen bezogen. Eine Beteiligung an einem Ereignis kostete auf seiten der Versuchspersonen daher auch Geld („Eintrittspreise“ oder „Gebühr“ für eine Dienstleistung), auf seiten des Versuchsleiters den Einsatz aller zur Verfügung stehenden PR-Mittel. Insofern mussten Konzert- oder Festivalveranstalter und Zeitungskritiker ebenso angesprochen werden wie die eigentlichen Versuchpersonen - das jeweilige Publikum. Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet eine positive Resonanz eines Veranstalters (der in der Regel ca. 2000 DM risikobehaftet einzubringen hatte) oder die Teilnahme von Publikum (das zwischen 12 und 100 DM zu bezahlen hatte) eine Art „Abkommen“ zwischen Versuchsperson und Versuchsleiter. Die Basis dieses Abkommens war die erwähnte Bereitschaft, sich auf musikalische Erfahrungen einzulassen, in denen sich kosmisches Bewusstsein realisieren kann.  Im Falle des Forschungsprojekts 1996-1998, bei dem für 55 Personen Geburtshoroskope erstellt wurden, gab es sogar ein schriftlich zu unterzeichnendes Abkommen und einen Pre-Test (der 20 DM kostete und in dem festgestellt wurde, ob die Erwartungen der Versuchspersonen in ästhetischer Hinsicht im Rahmen dessen lagen, was das Projekt leisten konnte).

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 Abbildung 3: Eine "Stringed Figure" von Henry Moore (1938) ist optisches Motto der Arbeitshypothese von einer „Suche nach neuen musikalischen Erfahrungen“.

 Als künstlerisch-wissenschaftliches Projekt fällt das MIDI-Planetarium weitgehend aus dem Rahmen der üblichen Esoterik- und Bewusstseins-Forschung heraus. Üblicherweise wird solche Forschung entweder „kritisch“ von außen betrieben, wobei ein allzu enger Kontakt zwischen Forschern und Beforschten zwecks Aufrechterhaltung der kritischen Distanz vermieden wird. Das Problem, inwieweit man Esoterik und menschliches Bewusstsein überhaupt ohne Empathie und Einfühlung „verstehen“ kann, ist dabei den Forschern als notwendige Erkenntnisgrenze durchaus bewusst. Die andere Möglichkeit, Esoterik und Bewusstseins-Forschung zu betreiben, geschieht von Innen. Dies wird meist „esoterische Forschung“ genannt und bezeichnet den Versuch von Insidern, ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln systematisch zu überprüfen. Kritische Distanz wird hierbei, wenn überhaupt, nur in einer Art Rollenspiel eingenommen, „um mal zu sehen, was dabei herauskommt“. Das MIDI-Planetarium folgt keiner dieser beiden Forschungsstrategien. Es ist insofern empathisch und einfühlend, als es seriös und professionell „für die Szene“ arbeitet, ihr Dienstleistungen besonderer Art anbietet und dies Angebot absolut ernst meint. Placebo-Versuche oder ähnlich wissenschaftlich legitimierte Betrugsmanöver werden grundsätzlich abgelehnt. Zugleich bilden die Inhalte des Angebots die Thesen eines Außenstehenden und keinesfalls das herrschende Bewusstsein der Insider ab. Die Musik des MIDI-Planetariums ist bereits aufgrund ihrer chaotischen Binnenstruktur als gängige New Age-, Meditations- oder Trancemusik absolut ungeeignet.

Der Eso- und Bewusstseins-Szene nicht a priori geringschätzig bis feindlich, allenfalls mitleidig oder sozialarbeiterisch gegenüber zu treten, ist durchaus ein Wagnis. Meines Erachtens kann man dies nur durchstehen, wenn man selbst weitgehend „ungläubig“ und vor allem atheistisch ist. Religiöse oder sonst wie gläubige Menschen geraten bei jeder Art Einfühlung in erkenntliche Gewissenskonflikte, die sich schnell negativ auf den Forschungsablauf auswirken. Um mit gläubigen, „abgefahrenen“ und esoterisch handelnden Menschen gute zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen, bedarf es nicht eines festen eigenen Glaubens, sondern einer bescheidenen Offenheit des Herzens und prinzipieller Neugier. Bisweilen hilft auch, wenn man der Überzeugung ist, dass alles einen Sinn hat - das „abgefahrene“ Gehabe eines Mitbürgers neben oder der chaotische Sternenhimmel über mir. Die wichtigste Berührungslinie zwischen dem künstlerisch-wissenschaftlichen Projekt MIDI-Planetarium und der „Szene“ verlief naturgemäß entlang der Astrologie. Ich selbst habe im Laufe der Jahre eine Reihe Astrologie-Lehrbücher gelesen und natürlich alle Abhandlungen über Astrologie und Musik studiert. Interessanterweise bin ich nie warm geworden. Weder konnte ich mir mein Geburtssternzeichen merken, noch irgendein auch noch so grobes Deutungswissen einer gängigen astrologischen Schule. Welcher psychohygienische Mechanismus hier am Werk war, ist leicht zu erkennen!

 Wer die Idee eines künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekts nicht kennt oder versteht, wird auch nicht verstehen können, wie ein Forscher mit einer recht profilierten Szene zum gegenseitigen Nutzen interagieren kann, ohne „infiziert“ zu sein. Ja noch mehr, als Leiter und Ausführender eines solchen Projekts möchte man die Szene nicht nur (passiv) verstehen, sondern auch verständnisvoll verändern. Dabei geht man selbstverständlich davon aus, dass „alles“ nicht nur irgendeinen Sinn hat, sondern auch „gut gemeint“ ist. Die diesbezügliche These, dass die gesamte Esoterik- und New Age-Bewegung „auf der Suche nach neuen musikalischen Erfahrungen“ ist, habe ich in meinem „Handbuch New Age Musik“ 1993/94 systematisch zu beweisen versucht, zeitgleich mit der ersten Phase des Projekts MIDI-Planetarium. Diese These entspricht meiner persönlichen Überzeugung. Sie ist für mich der Schlüssel für das, was man „empathische Distanz“ nennen kann. Ist dieser Standpunkt erreicht und verinnerlicht, dann genügt es in einem wissenschaftlich-künstlerischen Projekt einfach „nur noch gut Musik“ machen, das heißt optimale Dienstleistungen anbieten zu wollen.  Das subjektive Bewusstsein kann dann beschränkt und immanent denken, um objektiv weitreichende Ziele zu verwirklichen.  

Die vorliegende Dokumentation möge in diesem Sinne nicht nur von der wissenschaftlichen Untersuchung der musikalischen Erfahrung kosmischen Bewusstseins, sondern auch von der produktiven Interaktion zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Überzeugungen und Fähigkeiten innerhalb eines künstlerisch-wissenschaftlichen Projekts berichten. Die hier dokumentierte Forschungsstrategie ist dabei nicht nur weniger phantomhaft als die Strategie der etablierten Wissenschaften, sie ist zugleich Ausdruck der Überzeugung, dass sich Wissenschaft ins 3. Jahrtausend hinein ändern und weiterentwickeln kann. Das Buch ist daher dem Jahr 2001 gewidmet.