2. Das kosmische Gesetz der Oktav
 
 

Das MIDI-Planetarium geht davon aus, daß der Mensch holistisch in den Kosmos eingebettet ist und daß diese Tatsache für den Menschen von Bedeutung sein kann. Diese Bedeutung erschließt sich nicht von selbst, sondern muß vom Menschen "geschaffen", erarbeitet oder erfahren werden. So wird diese Bedeutung individuell wirksam etwa in einer astrologischen Beratung, beim Meditieren zum nächtlichen Sternenhimmel ... oder aber beim Hören geeigneter Musik. Pythagoras hatte die Vorstellung, daß die von Menschen auf Instrumenten gespielte Musik (die harmonia instrumentalis) ein Abbild der kosmischen Musik, der Sphärenmusik (harmonia mundana) darstellt und deshalb auf den Menschen positiv wirken kann, weil Gesundheit (harmonia humana) als harmonisches Übereinstimmen von Mensch und Kosmos betrachtet wurde. Gerät der Mensch "außer Harmonie", so vermag er sich, wenn Instrumentalmusik erklingt, möglicherweise wieder in die Harmonie des Kosmos "einschwingen"...

Johannes Kepler hat zu Beginn der Neuzeit versucht, die pythagoreische Idee christlich umzuformulieren und mit naturwissenschaftlichen Methoden zu überprüfen. Er suchte in den von ihm gesammelten Daten über die Bewegung von Himmelskörpern Proportionen, die einfachen musikalischen Intervallen entsprechen. Er wurde seiner Meinung nach fündig - und bis heute ist es eine Glaubensfrage geblieben, ob die von ihm gefundenen Proportionen nun wirklich das kosmische Gesetz des Himmels darstellen oder doch nur Projektionen des Menschen sind. In den zahlreichen Modellen, die Kepler gedanklich durchgespielt hat, spielen Geschwindigkeiten, Umlaufzeiten und Winkelgeschwindigkeiten eine große Rolle.

 

In den 70er und 80er Jahren unseres Jahrhunderts hat Hans Cousto (Abb. 3) nach einem allgemeinen Gesetz gesucht, das alles, was sich periodisch im Himmel und auf Erden bewegt, miteinander in Verbindung bringt. Er formulierte das "kosmische Gesetz der Oktave" (in Cousto's Worten: das "Gesetz der kosmischen Oktav"), das besagt, daß alle periodischen Bewegungen, die durch "Oktavierung" auseinander hervorgehen, miteinander wirkungsverwandt sind.

"Oktavierung" bedeutet, daß die Periode halbiert bzw. die Frequenz verdoppelt wird. Die für den Menschen wichtigsten Perioden sind der Tag (Drehung der Erde um ihre Achse), das Jahr (Drehung der Erde um die Sonne), der Mond-Monat (Drehung des Mondes um die Erde). Astrologisch wichtig sind noch die durch die Drehung der Planeten um die Sonne entstehenden Perioden sowie die scheinbaren Perioden, die man von der Erde aus beobachten kann. Hans Cousto hatte die Idee, beispielsweise die Periode der Bewegung der Venus um die Sonne (19414149 sec) 32 mal zu halbieren, sodaß die sehr kleine Zeit von 1/221 sec entsteht. Diese Zeit ist die Periode einer Schwingung von 221 Hz. Einen Ton mit dieser Frequenz nannte Cousto "Venuston". Auf diese Weise erhielt Cousto die in den 80er und 90er Jahren in der Eso-Szene recht bekannt gewordenen "Planetentöne", von denen das MIDI-Planetarium allerdings meistens die geozentrischen verwendet (Tabelle 1):
 

Planetentabelle

Während die Berechnung der Planetentöne relativ einfach und im Grunde eine reine Angelegenheit der Mathematik ist, ist die These, daß Erscheinungen, die "oktavverwandt" sind, auch "wirkungsverwandt" sind, eher eine Glaubens- oder Erfahrungssache. Das MIDI-Planetarium vertritt angesichts dieser These einen "erfahrungsbezogenen" Ansatz. Es bietet Menschen die Möglichkeit, musikalische Erfahrungen zu machen, ohne vorauszusetzen, daß ein mehr oder minder fester Glaube vorliegt. Das 1996/97 an der Universität Oldenburg durchgeführte Forschsungsprojekt zum MIDI-Planetarium, bei dem 55 "Versuchspersonen" ihre Erfahrungen beim mehrfachen Hören einer Horoskopvertonung mithilfe des MIDI-Planetariums protokollierten, hat eine breite Palette möglicher Erfahrungen und Selbsterfahrungen gezeigt - und damit bewiesen, daß tiefgehende Erfahrungen möglich, aber nicht zwingend vorhanden oder automatisch abrufbar sind.

Nachdem Hans Cousto's Planetentöne ausgiebig durch die Eso-Szene gegeistert waren, nachdem Joachim Ernst Berendt seine Urton-Cassetten eingespielt, zahlreiche Chakren-Therapien die Planetenstimmgabeln benutzt, Hans Cousto selbst seine Spezialfrequenzen in Brainmachines und bei Techno-Parties eingesetzt hatte, hat Wolfgang Martin Stroh mittels des Computerprogramms MIDI-Planetarium die "Gretchenfrage" gestellt: ist das kosmische Gesetz der Oktav musikalisch tragfähig? Bis dahin wurden Planetentöne stets nur "einzeln" eingesetzt, zum Beispiel als "Kammerton" eines Musikstücks, als Stimmung eines Monochordes oder Gonges oder einer Stimmgabel. Mit dem MIDI-Planetarium werden die Töne mehrerer Gestirne so, wie wir es vom Sternenhimmel und Horoskop her gewohnt sind, zueinander in Beziehung gesetzt. Die Planeten-Frequenztabelle (Tabelle 1) zeigt jedem einigermaßen Kundigen, daß hierbei keine harmonische Musik im herkömmlichen Sinne zu erwarten ist, denn Terzen, Quinten oder Dreiklänge gibt es hier nicht!

Das MIDI-Planetarium geht noch einen Schritt weiter: Es verwendet nicht nur die Grundtöne der Gestirne eines Horoskops, sondern auch die nach demselben Gesetz der kosmischen Oktav abgeleiteten Rhythmen der Gestirne. Daher setzt sich die entstehende Musik nicht nur aus 11 relativ ungewöhnlichen Frequenzen, sondern auch aus 11 ebenso unterschiedlichen Rhythmen zusammen. Diese "polyrhythmische" Überlagerung kann nur noch durch einen Computer realisiert werden. Rein mathematisch entsteht ein "Planetenrhythmus" dadurch, daß die "Oktavierung" (sprich: Halbierung der Periodendauer) nur solange fortgesetzt wird, bis sich eine Zeitspanne im Bereich von 1 bis 4 Sekunden ergibt. Im Falle der erwähnten Venus erhielte man beispielsweise nach 22 Oktaven die Dauer von 4,628 sec.

Nach dem kosmischen Gesetz sind Töne, die eine oder mehrere Oktaven auseinander liegen, wirkungsverwandt. Dasselbe gilt für Rhythmen, die durch Halbierung oder Verdoppelung auseinander hervorgehen. Im MIDI-Planetarium können daher alle Töne auch durch oktavverwandte und alle Rhythmen durch doppelte oder halbe Rhythmen ersetzt werden. Insbesondere für den rhythmischen Bereich wird diese Art der Verwandtschaft extensiv genutzt. Wählt man, um beim Venus-Beispiel zu bleiben, als Grund-Rhythmus 4,628 sec, so erklingt die Venus natürlich erheblich seltener als wenn 2,314 oder gar 1,157 sec gewählt wären. Die Wahl des Rhythmus bestimmt die Tondichte und gleichsam die "Präsenz" eines Gestirns.

Das MIDI-Planetarium erweitert die Überlegungen Hans Coustos, indem es die Idee von der kosmischen Oktav auf die gesamte Obertonreihe ausdehnt. Ein Gestirn ist nicht nur durch seine Grundfrequenz, sondern durch die Frequenzen von 32 Obertönen repräsentiert. Die Intervalle zwischen einem Ober- und dem Grundton werden numerisch gesehen immer größer (1, 2, 3, 4, usw.), musikalisch gesehen wächst aber auch die Energie, die aufzubringen ist, um vom Grund- zum Oberton zu gelangen. Dieses Energieverhältnis wird im MIDI-Planetarium ausgenutzt. Das MIDI-Planetarium verwendet 32 Obertöne (5 Oktaven), eine etwas willkürliche, technisch aber einigermaßen beherrschbare Lösung.
 
 


 

Entwicklung und Programmierung: 
Wolfgang Martin Stroh 
Anpassung auf PC und GM-Soundcard: 
Christian Wolf und Marcus Dromowicz 
Gesetz der kosmischen Oktave
Hans Cousto 
Vertrieb: 
Jupiter 55 GBr, Rudolf Fridum und Klaus Tamm 
Inhalt des Handbuches  

0. Vorbemerkung  
1. Die ersten Klänge  
2. Das kosmische Gesetz der Oktav  
3. Komponieren mit dem MIDI-Planetarium  
4. Technische Beschreibung des Programms