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Soundscape: LandArt - hier: "ting II" auf Spiekeroog von Willem Schulz

7 Konzerte an 7 Orten zu 7 Zeiten realisiert von 40 Mitwirkenden - geführt durch das Erste improvisierende Streichorchester

Aus dem Programmheft:

ting II ist die Konzentration auf die Beziehung Natur - Mensch - Kunst. Nach einigen Recherchen fiel die Wahl auf Spiekeroog... Mit Hilfe von Insulanern und der eigenen Spürnase begann ich die Insel zu entdecken und entschied mich für 7 Orte, die mich als Musiker in besonderer Weise ansprachen. Hier ließ ich mich zu Musik inspirieren, die nach meinem Eindruck zu den einzelnen Plätzen gehörte. So entstand für jeden Ort eine eigene Komposition und Choreografie.

Die kreative Kraft des Menschen in Resonanz zu setzen zu den Gestaltungskräften der Natur, ist der Sinn dieses Projektes. Mit musikalischen Kompositionen herauszugehen aus dem Konzertsaal, hinein in vom Leben pulsierende - oder auch kranke und sterbende - Orte, eröffnet die Chance, neben den Zuhörern auch den Plätzen selber musikalische Erfahrung zu geben. Begreift man einen Ort als lebendiges Wesen, ebenso wie einen Baum oder das Meer, so kann der Mensch mit einer künstlerischen Aktion in einen wirklichen Austausch treten.

Aus einer Rezension (esotera 12/95):

Kein Urlaubsgast schien gestört, provoziert oder irritiert von solcherart Kommunikation mit der Natur. Die Adorno-These der Musik-Avantgarde, Neue Musik müsse das Alltagsbewußtsein provozieren und jedes "Lauf-Publikum" in die Flucht schlagen, solle Musik noch ihrer "bewußtseinsbildenden Aufgabe" nachkommen, haben die Touristen von Spiekeroog an diesem LandArt-Wochenende widerlegt. Dabei hätte die vielstündigen Musik, die im Laufe der 8 "Konzerte" erklungen ist, in jedem anderen Zusammenhang die Frage verdient, ob dies denn noch Musik sei. Doch hier stellte sich die Frage einfach nicht. Das Publikum bemerkte, daß sich der Sinn dieser Musik nicht aus ihrem Material, sondern aus der Situation an den bespielten Orten ergab: "Musik, die den Eigenarten, den feinstofflichen Stimmungen und Schwingungen, den Zeichen eines Ortes lauscht und sich dem Prinzip von Geben und Nehmen hingibt, kann zu neuer Erfahrung wie auch zu neuem künstlerischem Material führen" (Willem Schulz). Solche Erfahrungen können den Orten die ihnen eigne Musik zurückspiegeln: Ein Wald beispielsweise erscheint von Ferne als amorphe grüne Einheit und entpuppt sich erst, wenn man hineingeht, als eine Lebenswelt von einzelnen Wesen. Ein Orchester wirkt, frontal präsentiert, als einheitliche Masse. Und erst wenn man durch es hindurch geht, zum Beispiel dann, wenn die SpielerInnen in den Bäumen eines Waldes verteilt sind, erscheint es als ein Netzwerk von vielen musikalischen Individuen. Der musikalische Zusammenhang, den die HörerInnen auf ihrem Waldspaziergang erfahren können, ist dabei der Zusammenhang des Organismus "Wald".

Komplette Rezension.