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Marion Adler

Tango als Thema des Musikunterrichts

Nach „Capoeira“ (Melanie Meinig) und „Tarantella“ (Wencke Sorrentino) ist dies eine weitere Beschreibung und Auswertung eines Unterrichtsversuches, der dem Konzept des erweiterten Schnittstellenansatzes der interkulturellen Musikerziehung folgt. „Tango“ gibt es im deutschen Musikunterricht noch nicht, allenfalls in zaghaften exotischen Tanz-AG’s. Dies hat seine guten Gründe: erstens ist „Tango“ ein typischer Tanz für Erwachsene von – angeblich – hoher Artifizialität, der durch die Gesellschaftstanz-Tanzstunde nur banalisiert, nicht jedoch verständlich gemacht wird; zweitens ist das kulturelle Umfeld des Tango – die Tangolieder aus Argentinien, die diversen Tango-Kulte Europas zwischen Paris, Berlin und Helsinki, die aktuelle Rezeption des Nuevo Tango nach Piazzolla – äußerst komplex und von einer nicht gerade jugendgerechten Sicht des Geschlechterverhältnisses geprägt; drittens entspricht Tango in keiner Hinsicht dem., was Jugendliche als „Latin“ kennen und lieben und – den „Grünen Heften“ des Lugert-Verlages folgend - im Musikunterricht praktizieren.
Die „Exotik“ und „Jugend-Ferne“ des Tango hat pädagogische Chancen und stellt eine methodische Herausforderung dar. In der vorliegenden Arbeit wird ein erster Ansatz gezeigt, wie man diese Chancen nutzen und diesen Herausforderungen begegnen kann. Tango wird nicht als Material einer Singe-, Tanz- oder Nachspielstunde sondern als eine „Haltung“, als „musikalischer Gestus“ voll kulturhostorischer Bedeutung abgehandelt. Als zentrale Methode, die die kognitiven Anteile des Unterrichts umgibt, wird die szenische Interpretation verwendet. Dem erweiterten Schnittstellenansatz folgend findet der Einstieg nicht über erste Tangoschritt- oder Klatschübungen zum Rhythmus, sondern als szenische Interpretation von Bildern tanzender Paare in Verbindung mit Musik statt. Hier ein Beispiel:

liberti

Die vorliegende Arbeit behandelt lediglich den Einstieg in die Thematik in 2 Doppelstunden, zeigt dabei aber eindeutig, dass in einem durchaus „musikfernen“ Grundkurs der 11. Klasse das Thema Tango motivieren kann und dabei ganz zwanglos eine Reihe von Zielen der interkulturellen Erziehung erreicht werden. Eine Weiterführung des hier vorgestellten Einstiegs ist nahe liegend und soll in Zukunft erprobt werden: die musikpraktische Erarbeitung von Liedern, charakterstischen Rhythmen und Arrangements, konkretere Haltungsübungen zu inhaltlich bedeutsamen Tango-Figuren, Erkundungen zur Tango-Szene in Deutschland und Argentinien,  Eintauchen in aktuelle Weiterführungen im Bereich von Elektrotango und Tango der Vierten Tango-Generation nach Piazzolla bis hin zu politisch konnotiertem Tango als „Jiddischer Tango“ (u.a. in deutschen Konzentrationslagern), „Todestangos“ der Anti-AKW-Bewegung (u.a. vor deutschen Kernkraftwerken), „Finnischem Tango“, "Kriminaltango", Klezmer-Tango“ usw.

Kontakt zur Autorin der Arbeit: Adler_Marion@web.de

 

Beispiel eines "Elektrotangos" aus dem Jahr 1986 mit Bildern des Malers Liberti kombiniert mit Fotos aus einer Tangoshow (Taconeando) in Buenos Aires sowie einem Foto von der berühmten Brücke vor La Bocca: