(8.-9. Std.) Die indonesische Musik (Gamelan, Angklung)
Zu diesen beiden Doppelstunden gehören die Playlist "Weltstimmung Teil 6", die Powerpoint-Präsentation 08-Teil 1 und Teil2, die Arbeitsblätter Blatt 08 und Blatt 09 sowie die Exceltabelle "Berechnungen Indonesien" mit einer ausführlichen Diskussion der Probleme bei der Frequenzbestimmung von Gongs.
Podcast 08
Vorbemerkung
Die meisten Gamelaninstrumente sind "mehrdimensionale Schwingungserzeuger": Gongs unterschiedlicher Dicke und Bauart, Metalplatten, Holzplatten usw. Eine Eigenheit solcher Schwingungserzeuger ist, dass sie kein harmonisches Spektrum besitzen und daher die Tonhöhe nicht immer eindeutig definiert ist. Die Frage nach einer "Tonhöhe" ist selbst fragwürdig! Dennoch werden auf Xylophonen, Glockenspielen, Gongspielen usw. oft "Melodien" gespielt, die aber je nach kulturellem Hintergrund der Hörer/innen einmal als Tonhöhen- das andere Mal als Klangfarbenmelodie wahrgenommen werden (können). Beim Klang der Musik eines Gamelanorchesters fragen sich selbst an Tonhöhenmelodien gewohnte Hörer/innen oft, ob man hier nicht einfach von Klangfarbenmusik sprechen sollte...
Neben dem unharmonischen Spektrum gibt es noch ein zweites Problem bei einer potenziellen Tonhöhen- bzw. Frequenzbestimmugn von Gamelaninstrumenten: der Tonhöheneindruck ändert sich je nach Anschlagsart und Schwingungszeit. Die durch den Anschlag zugeführte Schwingungsenergie verteilt sich zunächst auf viele Obertöne (die, wie gesagt, nicht harmonisch auf einen Grundton bezogen sind) und im Lauf der Abnahme dieser Energie ändert sich diese Verteilung. Der Eindruck ist, dass sich die Tonhöhe ändert.
Das folgende Bild zeigt die Schwingung eines Saron bei hartem (oben) und weichen (unten) Anschlag. Ersichtlich entsteht beim weichen Anschlag eine sinusförmige Schwingung, die einer exakten Tonhöhe entspricht. Die Grobperiodizität bei hartem Anschlag ist ebenfalls gewahrt, während die Obertöne (ersichtlich an den "wandernden" Einbuchtungen) nicht harmonisch sind:
Die Abhängigkeit des Tonhöheneindrucks von der Zeit ist, wie man hier seht, von der Schwingungsstruktur abhängig. Bei der sinusförmigen Schwingung ist sie gering, bei der quasiperiodischen Schwingung ist sie erheblich:
Platte 6tt | Platte 5t | |
Zeit | Tonhöhe | Tonhöhe |
sec | Hz | Hz |
0,155 | 258,1 | 413,8 |
0,255 | 255,1 | 410,3 |
0,425 | 251,3 | 410,3 |
1 | 242,4 | 410,3 |
Frequenzmessmethoden, die eine Schwingung "pauschal" beurteilen, versagen also oft definitionsgemäß. Das bedeutet, dass die Frequenzbestimmung möglichst anhand des Schwingungsbildes erfolgen sollte. Bei den im Folgenden vorgenommenen Messungen wurde der Anfang der Schwingung als Bezugsgröße gewählt, d.h. jenem Teil der Schwingung, in dem nach dem geräuschhaften Einschwingvorgang eine Periode zu erkennen ist.
Gamelan allgemein
Die wichtigsten Instrumente eines Gamelanorchesters (hier beim 3. Internationalen Gamelan Musik Festival 2006 in Bremen).
Ein exemplarisches Gamelanstück "rena rena" - Sie erkennen folgende Struktur:
Gr. Gong.......markiert die Teile Kl. Gong........markiert die Perioden (8 Takte) Saron............spielt Hauptmelodie (in Halben) Bonang.........verdoppelt Melodie (in Vierteln) Slentem u.a...vervierfachen oder umspielen die Melodie |
"rena rena" gespielt von "Arum Sih"
Die Kernmelodie des Stücks wird 5 Mal durchgespielt. Die fünftönige Skala heißt "Patat Manyura" und wird im folgenden Notenbeispiel durch es - ges - as - b - des angenähert. (Die Messungen - siehe unten - zeigen, dass das Bremer Gamelan, auf dem "rena rena" hier gespielt wird, aber nicht pentatonisch und durch dies Notenbeispiel nur ungenau angenähert ist.)
Gamelan in Bremen
Zur Spezialseite des Bremer Gamelan mit allen Messungen etc. seit 1993: hier.
Zu Detailmessungen an den Instrumenten des Bremer Gamelan 2021 im Rahmen des Seminars
MIRA
1997 fand die Uraufführung von MIRA im Überseemuseum Bremen statt: eine Komposition von Uli Götte für das Bremer Gamelan (Slendro) und drei darauf abgestimmte Synthesizer. Ein Eindruck von dieser Uraufführung (aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Museums):
MIRA sollte in einer aktualisierten Form 2022 in der Hamburger Elbphilharmonie neu (ur-)aufgeführt werden, das Hamburger Laienenssemble war aber nicht in der Lage die komolexe Partitur (nach Noten) zu spielen. Sie können hier die gesamte Partitur als Midifile (also nicht in der wirklichen Gamelan-Stimmung, sondern pentatonisch-temperiert auf des-es-ges-as-b) hören:
MIRA-Partitur 2022 (= spielbares Midifile)
Slendro und Pelog im Überseemuseum
Das Überseemuseum Bremen besitzt zwei komplette Sets von Gamelaninstrumenten: Das ältere Gamelan ist fünftönig (Slendro) gestimmt und wurde 1979 von einer Instrumenten-Werkstatt in Surakarta (Java) gekauft. Das jüngere Gamelan ist siebentönig gestimmt (Pelog) und wurde 1991 von derselben Werkstatt gekauft. Die Platten des füntönigen Slendro sind mit 1, 2, 3, 5, 6 durchnumeriert, die von Pelog mit 1,2,3,4,5,6,7. Dennoch passen Slendro und Pelog nicht ineinander in dem Sinne, dass stets dieselbe Nummer von Slendro derjenigen von Pelog entspricht. Zudem sind die beiden Stimmungen nicht kompatibel. Die folgende Tabelle zeigt die Unterschiede für die mittleren Saron-Instrumente:
Pelog | Slendro | ||
1t | 299 | 1t | 274 |
2t | 317 | 2t | 311 |
3t | 351 | 3t | 361 |
4t | 413 | 5t | 412 |
5t | 444 | ||
6t | 475 | 6t | 480 |
7t | 528 | 1m | 546 |
1m | 593 | ||
2m | 637 | 2m | 630 |
3m | 714 | 3m | 721 |
4m | 832 | 5m | 832 |
5m | 903 | ||
6m | 949 | 6m | 960 |
7m | 1057 | 1h | 1131 |
Die 2021 durchgeführten Messungen bezogen sich weitgehend auf Slendro-Instrumente. Ausnahmen sind zwei Gambangs (die eine füntönige Pelog-Auswahl enthalten) und ein Slentem und Bonang (in jeweils siebentönigem Pelog). Hier ist eine Slendro-Vergleichstabelle, die einen Auszug aus den Messwerten darstellt, die auf der Spezialseite im Detail angegeben sind. Die beiden letzten Spalten geben die "Tasten" eines temperiert gestimmten Klaviers (Kammerton 440 Hz) und deren Frequenenz an, die den gemessenen Gamelan-Werten am nächsten liegen. Ersichtlich weichen die gemessenen Werte von der oben notierten Abfolge C#-D#-F#-G#-A# erheblich ab. Die genauen Abweichungen in Cent sind den Einzeltabellen auf der Spezialseite zu entnehmen):
Gender1 | Gambang | Temp. | ||||||
Nr. | Hz | Hz | Taste | Hz | ||||
6ttt | 117 | 113 | H | 116 | ||||
1tt | 141 | 131 | C# | 139 | ||||
2tt | 158 | 151 | D# | 156 | ||||
3tt | Saron | 181 | Gender2 | 180 | F# | 185 | ||
5tt | Hz | 207 | Hz | Bonang | 200 | G# | 208 | |
6tt | 243 | 247 | 246 | Hz | Kenong | 235 | H | 247 |
1t | 274 | 275 | 274 | 274 | Hz | 274 | C# | 277 |
2t | 311 | 311 | 311 | 310 | 314 | 314 | D# | 311 |
3t | 356 | 356 | 355 | 354 | 359 | 360 | F | 349 |
5t | 412 | 416 | 412 | 407 | 412 | 408 | G# | 415 |
6t | 480 | 480 | 480 | 476 | 472 | 468 | H | 493 |
1m | 546 | 545 | 545 | 544 | 548 | 544 | C# | 554 |
2m | 630 | 630 | 630 | 631 | 626 | D# | 622 | |
3m | 721 | 722 | 721 | 719 | 713 | F# | 740 | |
5m | 832 | 830 | 832 | 832 | G# | 831 | ||
6m | 960 | 961 | 960 | 961 | H | 987 | ||
1h | 1131 | 1129 | 1129 | 1122 | C# | 1108 | ||
2h | 1294 | 1294 | 1293 | 1294 | E | 1319 | ||
3h | 1487 | 1484 | 1489 | F# | 1480 | |||
5h | 1717 | 1728 | A | 1760 | ||||
6h | 1982 | H | 1975 | |||||
1hh | 2262 | C# | 2217 |
Die Intervallfolge der Mittelwerte ist:
Bemerkung: beide "Ausreißer" (rote Pfeile) stammen vom tiefen Gender. Der Mittelwert dieser beiden Intervalle ist wieder "normal". (Wie ich nachträglich erfuhr, sind die entsprechendden Platten defekt und wurden nachbestellt, sind bereits - Juli 2021 - da und werden nun in Zukunft verwendet.)
Hier die Saron-Töne im Oktavabstand zur Demonstration der Tatsache, dass die Oktaven nicht rein sind:
Bremer Sarontöne im Oktavabstand
FAZIT:
- es liegt keine Pentatonik und keine exakt äquidistane Temperierung (240 Hz) - wie beispielsweise bei Amadinda - vor,
- die Intervallgröße pendelt aber um 240 Hz herum, der Mittelwert liegt bei 244 Hz,
- die Oktaven sind nicht rein,
- innerhalb der verschiedenen Oktavlagen sind die Intervalle nicht gleich,
- jedoch stimmen alle Instrumente gut überein, sind also nicht "zufällig" verstimmt.
Weitere Videos vom 3. Internationalen Gamelan Musik Festival in Bremen finden Sie auf der Playlist "Weltstimmung Teil 6".
Der "Saron-Player"
Der "Saron-Player" ist eine Software, die es ermöglicht, originale Samples von Slendro-Instrumenten auf einem Keyboard oder über ein Midifile abzuspielen. Die Software läuft auf Windows und dort auf der MAX-Plattform. Das bedeutet: zuerst muss die Plattform "MAX-Runtime" installiert werden. Anleitungen hierzu auf der Seite "Tools". Sodann wird das Paket "Saron-Player-Slendro-komplett.zip" herunter geladen und entpackt. In einem Ordner befinden sich 17 Samples der drei Saron des Überseemuseums Bremen und das Runtime-Programm "Saron-Player-komplett.xmf", das von der Runtime geladen werden muss. Es öffnet sich folgende Oberfläche:
Die Original-Samples liegen hier auf den schwarzen Tasten. Ein detaillierte Anleitung befindet sich im entpackten Ordner.
Beispiel: Ein Exzerpt der letzten 3 Minuten von MIRA 2022 wurde auf den drei Sarons des Überseemuseums Bremen auf diese Weise realisiert:
MIRA-Ausschnitt auf drei Sarons
Eine konkrete Erläuterung zum Umgang mit dem Sample-Player und der Entstehung dieser "Komposition" ist auf folgendem Youtubevideo dokumentiert:
Ein Kuriosum aus Bali
Peter Bayreuther hat 2023 auf Bali auf einem Saron Gamelanunterricht erhalten, das 12 Platten enthält. Die untere Oktave ist als Slendro, die obere als Pelog gestimmt:
Hier die Messwerte:
Hz |
Interv. |
Taste |
temp |
Centabw |
|
2t |
304 |
… |
D# |
311,125 |
-40,11 |
3t |
331 |
147,31 |
E |
329,65 |
7,08 |
4t |
|||||
5t |
425 |
432,76 |
G# |
415,3 |
39,97 |
6t |
453 |
110,46 |
A# |
466,17 |
-49,61 |
7t |
|||||
1m |
578 |
421,87 |
D |
587,3 |
-27,63 |
2m |
622 |
127,01 |
D# |
622,25 |
-0,70 |
3m |
676 |
144,13 |
E |
659,3 |
43,31 |
4m |
781 |
249,96 |
G |
784 |
-6,64 |
5m |
858 |
162,79 |
A |
880 |
-43,83 |
6m |
917 |
115,13 |
A# |
932,34 |
-28,72 |
7m |
1030 |
201,18 |
C |
1046,5 |
-27,51 |
1h |
1170 |
220,64 |
D |
1174,6 |
-6,79 |
Hier laden Sie den Sample-Player herunter, mit dem Sie die vorliegenden Saron-Klänge interaktiv spielen können. Laden Sie sich die Datei "Bali-Saron.zip" (ca, 3 MB) herunter und entpacken Sie diese Date in einen Ordner. Starten Sie dann das Programm "Sampleplayer.exe" und alles ist perfekt! (Die 12 Samples mit den Bezeichnungen s1, s2, s3 usw. müssen im selben Ordner liegen wie das exe-Programm.)
Angklung
"Mein Angklung"
Intervall | ||||
Hz | Cent | Taste | Centabw. | |
1. | 424 | gis' | 35,87 | |
5. | 479,3 | 212,24 | b' | 48,11 |
4. | 551,2 | 241,98 | cis" | -9,91 |
3. | 622,2 | 209,76 | dis" | -0,15 |
2. | 747,4 | 317,40 | fis" | 17,25 |
1 | 900 | 321,65 | a" | 38,91 |
5 | 990 | 165,00 | h" | 3,91 |
4 | 1191,8 | 321,17 | d³ | 25,08 |
3 | 1297 | 146,44 | e³ | -28,48 |
2 | 1520,6 | 275,35 | fis³ | 46,88 |
.1 | 1764 | 257,05 | a³ | 3,93 |
Bemerkung: im Gegensatz zum Gamelan ist diese Stimmung stärker pentatonisch im Sinne eines Wechsels von 200 und 300 Cent-Werten. Oktavreinheit gibt es überhaupt nicht, und die Intervallfolge innerhalb einer Oktav ist auch nicht gleich.
"Dog Dog Lojor" gespielt auf meinem Angklung über den Sample-Player:
Aufführung eines "Angklung-Orchesters" bei Pak Udjo (Padasuka, Bandung)
Angklung Flashmob