(10. Std.) Die äquidistant gestimmten Xylophone und Lamellophone (Ost-)Afrikas

Zu dieser beiden Doppelstunde gehören die Playlist "Weltstimmung Teil7", die Powerpoint-Präsentation 10-Teil 1, Powerpoint-Präsentation 10-Teil 2, Powerpoint-Präsentation 10-Teil 3, das Arbeitsbatt Blatt 10-Xylophone, Blatt 10-Lamellophone, die Exceltabelle Berechnung-Afrika.


Podcast 10


Die Xylophone des Überseemuseums Bremen


Xylophone sind beliebte Ausstellungsobjekte von Museen. So ist es auch im Überseemuseum in Bremen. Einige Instrumente verharren dort stumm in Vitrinen und können nur bestaunt werden. Drei dieser Xylophone aus Kamerun, die über 100 Jahre nicht gespielt worden sind, haben wir zum Leben erweckt. Lassen Sie sich von deren Klang verzaubern!


Hier geht es zur Extraseite "Xylophone im Überseemuseum"!

 

MbumBakossiBaia


Amadinda aus Uganda


Hier eine Zusammenstelung verschiedener Aufführungen von Amadinda mit zwei und mehr Spielern:  



Jeweils zwei Aminda-Spieler spiele um einen halben Puls versetzt ein Pattern. Je nach Einsatzpunkt des zweiten Spielers erklingen unterschiedliche minimalistische Strukturen. Im einfachsten Fall sieht das Ganze so aus:

patterns

Hier das zugehörige Musikbeispiel (realisiert mit dem Sample-Player und den Amadinda-Samples des Ethnologischen Museums Berlin):


"Olutalo" mit Erläuterung der Spieltechnik


Im folgenden Musikbeispiel hört man zunächst vier unterschiedliche Einsatzpunkte des zweiten Spielers B (nach jeweils 4 Takten). Abschließend hört man noch ein Beispiel, bei dem nach 12 Takten alle Spieler mit ihren Schlegeln eine Taste aufwärts rücken und so das Stück trasponbieren. Da das Tonsystem (siehe unten) annähernd äquidistant ist, hört man keine Änderung der Intervallstruktur.


Demo: verschiedene Realisierungen desselben Patterns


Und hier noch das Stück "Olutalo" gespielt auf einer Bogenharfe und dazu ein vom Sample-Player realisierte Xylophon-Version von Albert Sempeke (Uganda), realisiert auf dem Amadinbda des Ethnologischen Museums Berlin:

Messunngen an Xylophonen "Amadinda" aus Ostafrika


Amadindas werden in Instrumentenwerkstätten sorgfätig hergestellt und gestimmt. Im Gegensatz zu vielen Xylophonen, die es in Afrika gibt, scheint es hier ein Bewusstsein für eine "richtige" Stimmung zu geben. Der Instrumentenbauer entfernt im Zentrum der Plattenunterseite Holz, um die Platte tiefer zu stimmen, und er flacht sie an den Enden ab, um sie höher zu stimmen... so lange, bis alles ihm "richtig" erscheint. Wir haben mehrere Amidinda-Youtube-Videos "vermessen" bzw. Messungen Dritter ausgewertet, um zu sehen, ob man von einem festen Tonsystem sprechen kann und, wenn ja, von welchem.

Die nachfolgend abgebildeten Tabellen haben folgende Struktur: In der 1. Spalte werden die "Plattennummern" angeführt, die von 5 bis 1 laufen und nach Oktaven strukturiert sind. Die zweite Spalte enthält das Messergebnis in Hz. In der dritten sind die Intervalle zwischen den Platten in Cent angeführt. Wenn die Werte in der Nähe von 240 Cent liegen, dann ist das Intervall genau ein temperiertes Fünftel der Oktav (die aber nicht rein sein muss). Die beidne letzten Spalten gehören zusammen und zeigen, wie man ein Keyboard verstimmen muss, um die jeweilige Tonhöhe zu erhalten. Diese Angaben lassen erkennen, inwieweit die Stmmung von einer temperierten Pentatonik abweicht. Sie sind auch Voraussetzung für dne Einsatz des Maqam-Players.


Die Amadinda des Ethnologischen Museums Berlin


Ulrich Wegner hat 1983 das Xylophon (Sammlung VII f 119) im Ethnologischen Musuem Berlin aufgenommen. Die Vermessung dieser Aufnahme ergibt folgendes Ergebnis:


Nr. Hz Intervall Taste Centabw.
2h 1129   c#³ 31,36
1h 968 266,36 -35,00
5m 847 231,17 g#² 33,83
4m 733 250,26 f#² -16,43
3m 646 218,73 -35,16
2m 561 244,24 c#² 20,60
1m 483 259,17 h' -38,58
5t 420 241,96 g#' 19,46
4t 366 238,25 f#' -18,79
3t 320 232,53 d#' 48,68
2t 280 231,17 c#' 17,51
1t 241 259,67 h -42,16

Amadinda 1 Stimmung


Die Amadinda von Albert Sempeke


Ulrich Wegner hat einige Feldaufnahmen von Amidinda-Musik publiziert, u.a. von Albert Sempeke aus Uganda. Diesen Tonaufnahmen kann man die Stimmung des Xylophons entnehmen. Hier ist das Ergebnis der Messung und das vermessene Hörbeispiel selbst:

 

Nr Hz T Intervall Centabw.
2h 816 as   -30,72
1h 722 ges 211,88 -42,61
5m 624 es 252,54 4,83
4m 534 des 269,65 -64,80
3m 466 b 235,81 -0,74
2m 408 as 230,11 -30,72
1m 359 ges 221,50 -52,22
5t 310 es 254,06 -6,28
4t 271 des 232,77 -39,05
3t 233 b 261,56 -0,74
2t 204 as 230,11 -30,72
1t 180 ges 216,69 -47,41


Amadinda 2 Stimmung


Die Amadinda von Okello Lawrence


Eine weitere Amadinda-Stimmung konnten wir dem Anfang eines Youtube-Videos von Okello Lawrence entnehmen. Hier sind die Messergebnis und der Anfang des Videos, das vermessen worden ist:


  Hz Intervall T Centabw.
1 526   c" 9,07
2 443 297,31 a' 11,76
3 384 247,44 g' -35,68
4 329 267,62 e' -3,30
5 290 218,44 d' -21,74
6 254 229,47 c' -51,21
7 221,5 237,03 a 11,76
8 190 265,57 g 246,20


Gibt es ein äquidistantes Tonsystem?


Die Stimmung ist offensichtlich füntönig, die Oktaven sind "ungefähr" rein (was auch die Spielweise nahe legt, bei der zwei Platten geicher Ordnungszahl gleichzeitig angeschlagen werden.) Um die Frage zu beantworten stellen wir (1) die drei Xylophone enander gegenüber, um zu sehen, ob es so etwas wie eine Einheitlichkeit gibt oder doch der Zufall waltet, und sehen wir uns (2) die Intervalle zwischen den Platten genauer an und vergleichen diese mit dem pentatonisch-äquididistanten Intervall 240 Cent. Hier die einschlägigen Tabellen:

 

amadinda1 T amadinda2 amadinda3
Intervall c#³ Intervall Intervall
266,36    
231,17 g#²    
250,26 f#²   211,88
218,73   252,54
244,24 c#² 297,31 269,65
259,17 h' 247,44 235,81
241,96 g#' 267,62 230,11
238,25 f#' 218,44 221,50
232,53 d#' 229,47 254,06
231,17 c#' 237,03 232,77
259,67 h 265,57 261,56
    251,84 230,11
      216,69

Diese Tabelle zeigt, dass die Instrumente unterschiedlichen Tonumfang haben. Zudem ist ihr "Grundton" (=Platte 5) nicht immer gleich. Die Intervalle lassen keine pentatonische Struktur im Sinne von 200 und 300 Cent erkennen. Sie schwanken vielmehr - erheblich! - um 240 Cent herum. Die Abweichungen von 240 Cent in Prozent zeigt die folgende Tabelle:


Abweichung 1 Abweichung 2 Abweichung 3
in Prozent in Prozent in Prozent
-10,98    
3,68    
-4,27   11,71
8,86   -5,23
-1,77 -23,88 -12,35
-7,99 -3,10 1,75
-0,82 -11,51 4,12
0,73 8,98 7,71
3,11 4,39 -5,86
3,68 1,24 3,01
-8,20 -10,65 -8,98
  -4,93 4,12
    9,71

FAZIT:  Trotz einiger "Ausreißer" einzelner Töne scheinen die Amadindas alle ählich gestimmt zu sein. In Punkto Pentatonik ist festzustellen, dass es kein Intervall gibt, dass einem Ganzton (200 Cent) odre einer kleinen Terz (300 Cent) auch nur nahe kommt. Die Oktaven sind nur annähernd rein, immerhin "besser" als beispielsweise die Oktaven des Bremer Gamelan. Aber auch die Intervallfolge innerhalb einer Oktav ist keineswegs identisch. Insgesamt scheint es ein Interesse der Instrumentenhersteller an einer äquidistanten Pentatonik zu geben,m auch wenn die Sache dann doch nicht ganz so genau genommen oder aber (was genauso gut möglich ist) bewusst individuell ausgestaltet wird.


Lamellophone (Mbira, Sanza, Daumenklavier)


Ein Höreindruck von der Vielfalt der Mbira-Musik:


Vielfalt von Mbira-Musik


Und eine Vorführung von fünf Mbiras durch Edgar Bera:


 

Hier einige Lamellophone aus dem Überseemusuem Bremen: 


AngolaGabunKamerun1920Kamerun1951Kamerun1909Kamerun1936Kamerun1914Kamerun1902Tansania1958Togo1935Zaire1935Zaire1938Kamerun1920aZaire1938a

 

Gerhard Kubik vertritt die These, dass das Spielen mit den zwei Daumen auf einem "Daumenklavier" Ähnlichkeiten mit den Aktionen der beiden Spieler einer Amadinda hat: linker und rechter Daumen wechseln sich in schneller Abfolge ab, so wie es die beiden Spieler der Amadinda machen.


musasa-noten


Nhema Musasa


Stimmung und Tonsysteme von Mbiras sind relativ schwer zu bestimmen, weil die Zungen beweglich sind (siehe die Bilder). Moderne Mibrias fixieren allerdings die Zungen, so dass es gewisse Übereinstimmungen zwischen mehreren Instrumenten gibt.


Mbira1


Nach Paul F Berliner wird diese Stimmung durch eine C-Dur-Tonleiter angenähert. Realiter misst er erheblich andere Tonhöhen. Hier ist die "Abweichung" vom Ideal:

Mbira2

In der untersten Zeile stehen die Abweichungen von den entsprechenden temperierten Tönen in Cent.

 

Eine weitere Messung habe ich an der von  Edgar Bero vorgeführten Mbira vorgenommen. Zugrunde liegt die Vorführung von drei Mbira-Liedern:



Das Ergbenis war überraschend, weil beim bloßen Zuhören das erste Stück, das zunächst nur die Töne g-c'-d'-e'-f' vewendete, nur beim f' etwas "zu tief" erschien. Die Messung ergab erstaunlicherweise aber ein annähernd siebentönig-temperiertes Tonsystem mit dem Intervall 1200/7 = 171 Cent. Man beachte, dass die Quarte g-c' hier mit 3 sieben-temperierten Intervallen = 514 Cent besser dargestellt wird als mit der 12-temperierten Quarte 500 Cent.


7-temperiert
  gehört Messung Intervall 12-temp. Intervall 7-temp.
L1 g 195   196   195
L2 c' 267 544,04 262 514,29 262
L3 d' 295 172,65 294 171,43 295
L4 e' 327 178,29 330 171,43 326
L5 f' 358 156,80 349 171,43 361

Musikbogen (Mundogen)


In vielen Teil Afrikas sind Musikbogen (insbesondere Mundbogen) verbreitet. Eine Saite wird mit einem Stab angeschlagen und der Klang wird durch den Mund oder einen Resonator verstärkt. In Angola entsteht durch die spezifische Konstruktion des Musikbogens ein Tonsystem, das auch auf die Lieder übertragen wird. Es gibt vier Typen von Musikbogen:


bomgomaMugongokalebassebogenresonanzkastenXisambi

Die Verstärkung findet beim ersten Bild dadurch statt, dass der Bogen in den Mund genommen wird, im zweiten Bild wird die Saite durch den Mund geführt, im dritten wird der Ton durch eine Kalebasse verstärkt (wie bei Berimbao), und im vierten durch eine Art Trommel. Im letzten Bild wird die Saite nicht durch einen Stab angeschlagen sondern dadurch erregt, dass auf dem Biogen entlang geschrapt wird. Durch die Modifikation des Mundrachenraums oder der Kalebasse können unterschiedliche Obertöne des Basistons hervorgehoben werden:

 

Mundbogen Angola


In Angola wird die Saite mittels einer Schlinge in zwei ungleiche Teile geteilt, sodaß zwei "Basistöne" entstehen.


Saitenteilung


Neben den beiden Basistönen benutzen die !Khung in Angola nur noch jeweils die Quinte dieser beiden Töne, sodass ihre Gesänge tetratonisch sind. Der Tonvorrat variiert je nachddem, ob die Basistöne eine große Sekunde, eine kleine oder eine große Terz auseinander liegen:


Tonsystem


Beispiel eines Gesanges beim Abstand einer kleinen Terz (mit den hörbaren Tonstufen b - des - f - as):


Musikbogenlied der !Khung in Angola