(3. Std.) Die Entwicklung der abendländische Musik von der antiken Sphärenharmonie über die mittelalterlichen Modi bis zu Bachs Wohltemperiertem Klavier

Alle zu diesem Thema gehörenden Videos finden Sie auf der Playlist "Weltstimmung Teil 2".

Zu dieser Stunde gehören die Powerpoint-Pränsentation "Antike.pptx" und "Abendland.pptx", sowie die Arbeitsblätter Blatt3a-Antike.pdf und Blatt3b-Temperatur.pdf.


Der aktuelle Podcast!


Die wichtigsten Stimmungen als Tonbeispiele auf einen Blick hier!

 

Der Pythagoreische Rahmen (die Sphärenharmonie)

 

Für Pythagoras sind nur Oktav, Quint und Quarte "konsonant" und wohlklingend. Innerhalb dieses Ko nsonanzrahmens, der als Abbild der Sphärenharmonie gesehen wird, bewegt sich die Musikpraxis. In Zahlen ausgedrückt: es gibt nur 2:1, 3:2 und 4:3. Als "Differenz" zwischen Quint und Quarte ergibt sich allerdings der (große) Ganzton 9:8.

 

ptolemaios

Der pythagoreische Konsonanzrahmen wird von der arabischen, türkischen und indischen Kunstmusik übernommen. In der Diatonik sind die "Töne dazwischen" zunächst frei - was zur Konstruktion der griechischen "Tongeschlechte"n führt (im Arabischen "Maqam" und im Indischen "Raga").

 

Die Tongeschlechter der antiken Griechischen Musik

 

Während Theoretiker wie Archytas oder Didymos die "freien" Ausfüllungen des pythagoreischen Konsonanzrahmens berechnen (wollen), gibt es auch Theoretiker wie Aristoxenos, die von einer unendlichen Vielfalt sprechen. Aristoxenos teilt auch den Ganzton "empirisch" in 3, 4, 5 und 6 Teile - hat also die Vision einer Temperierung.


Hier geht's zur Extraseite - zur Spezialliteratur.

 

Konflikte zwischen Dreiklangs- und Quintensystem


Die im Mittealter (Gotik) zunächst vorherrschende Stmmung war insofern "pythagoreisch", als die wichtigsten Töne der vorzeichenlosen Tonarten quintenrein gestimmt werden konnten. Diese Stimmung hat zwei Haken: (1) Wenn mann durch mehrere Tonarten modulieren will - was den Komponisten vor der Renaissance aber nicht in den Sinn kam - bemerkt man, dass sich der Quintenzirkel nicht schließt, d.h. dass f# nicht gleich ges ist. Der Unterschied heißt "pythagoreisches Komma" und beträgt einen Viertelton (23,46 Cent). (2) Gravierender jedoch war, dass die Terzen in der pythagoreischen Stimmung unrein, d.h. nicht 5:4 waren. Die pythagoreische Terz unterscheidet sich von der reinen durch das syntonische Komma, das ebenfalls etwas ein Viertelton (21,51 Cent). - Die Unreinheit äußerte sich bei "Dauertönen" wie denjenigen einer Orgel durch Schwebungen.


 

Exkurs: Schwebungen


 

 

Temperierungen


Die Probleme mit der pythagoreischen Stimmung wurden durch verschiedene Maßnahmen gelöst: durch die "mitteltönige Stimmung" oder diverse "temperierte Stimmungen", mit denen man versuchte, die Schwebungen möglichst gerecht über alle Terzen und Quinten aufzuteilen. Es blieb jedoch bei einer "ungleichschwebenden" Stimmung - im Gegensatz zur heute verbreiteten absolut gleichstufigen ("gleichschwebenden") Stimmung. Johann Sebastian Bach beispielsweise hat sein "Wohltemperiertes Klavier" noch für eine "fast gleichschwebende" Stimmung geschrieben, die er selbst nach Gehör hergestellt hat.Die Rechnung mit der zwölften Wurzel aus zwei kam erst später. (Wahrscheinlich hat selbst Beethoven noch nicht gleischwebend gespielt.)

Zu einer Extraseite mit Hörbeispielen der gängigsten "Temperaturen" im Vergleich zur pythagoreischen und reinen Stimmung.

 

Zur Spezialliteratur.

Exkurs: die Ostfriesischen Orgeln


In Ostfriesland gibt es eine ganze Menge alter Orgeln, die noch nicht gleichschwebend gestimmt sind. Hier ein Querschnitt durch die "mitteltönige" und "ungleichschwebende" ostfriesische Orgellandschaft:

 

 

Ostfriesische Orgeln mit besonderen Stimmungen:

Emden-Larrelt: 1848-1855, modifiziert mitteltönig (nach Norden)
Emden-Wolthusen 1790-1793: temperiert 1/5-Komma
Gandersum 1939: Stimmung nach Neidhardt
Jennelt 1738: Werckmeister III
Klein-Midlum 1766: wohltemperiert (1/5 Komma)
Marienhafe 1710-1713: modifiziert mitteltönig (nach Norden)
Neermoor 1796-1798: nach Young (1/6 Komma)
Norden Ludgerkirche 1616-1618: erweitert mitteltönig (1/5 Komma)
Ochtersum St. Materniani 1734-1737: wohltemperiert nach Werckmeister
Oldersum St. Marien 1995: modifiziert mitteltönig (1/5 Komma)
Osteel 1619: erweitert mitteltönig
Pilsum 1694: modifiziert mitteltönig (nach Norden)
Remels 1733: wohltemperiert nach Werckmeister
Rysum 1447, 1513: mitteltönig (etwas modifiziert)
Simonswolde 1777: wohltemperiert nach Werckmeister
Stapelmoor 1994: modifiziert mitteltönig
Urtum 1660: mitteltönig
Weener 1709: wohltemperiert nach Werckmeister
Westerhusen 1642: mitteltönig