Tools für die Bestimmung und Reproduktion von Stimmungen und Tonsystemen

Allgemein gibt es vier Aufgaben:

1. Frequenzanalyse: Um die Stimmung eines Instruments und/oder das in einem Musikstück verwendetes Tonsystem zu ermitteln, ist - sofern dies nicht schon Personen gemacht und publiziert haben - eine „Messung" notwendig. In der Regel müssen dazu Frequenzen aus Tonaufnahmen („Audiofiles“) bestimmt werden.
2. Sample-Player: Tonaufnahmen müssen in einzelne „Samples“ zerlegt werden: jeder mögliche Ton einer Stimmung bzw. des Tonsystems soll als Einzel-Sample vorliegen. Wenn dies geschehen ist, dann kann mit diesen Samples musiziert werden: (1) von einem Keyboard aus werden die Samples gespielt, (2) ein Midifile „spielt“ die Samples. - Meist müssen dann Musikstücke in einem einschlägigen Programm (wie Cubase, Logic, Live - oder einem Notenprogramm) rekonstruiert und als Midifile produziert werden.
3. Maqam-Player: Um in einem Tonsystem auf beliebig anderen Instrumenten zu musizieren, müssen Midifiles so zubereitet werden, dass die normalerweise temperierten Tonhöhen verstimmt werden. Dies geschieht universell durch „Pitchbend“. (Die in einigen Synthesizern implementierten gerätespezifischen Stimmungsmöglichkeiten sind zwar oft flexibler zu handhaben, erfordern aber system-exclusive Midi-Daten - eine ganz spezielle Wissenschaft.) Spezielle Programm oder MIDI-Moduln (z.B. in Halion), die so etwas durchführen, nenne ich „Maqam-Player“, weil sie nach dem Mechanismus von marktgängigen „Oriental Keyboards“ arbeiten.
4. „Universelles“ Abspeichern: Ein vom Sample- oder Maqam-Player abgespieltes Musikstück kann explizit als Audiofile aufgenommen werden, unter Umständen jedoch kann das mit einer Pitchbend-Stimmung versehene Midifile auch als File abgespeichert werden, um später universell auf jedem beliebigen Soundmodul (Synthesizer, Soundcard eines PCs oder Smartphones usw.) abgespielt zu werden. - Hierfür bedarf es gerätespezifischer Lösungen. Im Seminar können einige - nach Bedarf - besprochen werden.

Die zur Verfügung stehenden Tools:

1. Das kostenlose und sehr gut elaborierte Audio-Recording-Programm „Audacity“. Das ist unser zentrales Tool - auch wenn es natürlich viele Programme mit gleichem oder anderem Funktionsumfang gibt. Es ist optimal für die Frequenzanalyse und die Zubereitung von Audioaufnahmen für diese Analyse und das Herstellen von Einzel-Samples.
2. Die „Tools“  Sample- und Maqam-Player habe ich mittels MAX8 programmiert. Man kann diese Tools (auf Windows) mittels einer kostenlosen Installation der „MAX-Runtime“ abspielen. Die meisten dieser Tools gibt es auch als PlugIn für Ableton- „Live (ein kostenpflichtiges Programm, wobei die „Lite“-Version nicht genügt).
3. Professionelle Sample-Player-Software wie Steinbergs „Halion“ sind sehr elaborierte Sample-Player und ermöglichen über ein „tuning“ genanntes MIDI-Modul auch, Aufgaben eines Maqam-Players zu erledigen.
4. Da immer wieder Umrechnungen zwischen Frequenzverhältnissen, Cent-Werten und Pitchbend stattfinden, gibt es zwei Rechenhilfe: eine wird als Programm in der MAX-Runtime zur Verfügung gestellt (bei dem man mithören kann), ein zweites gibt es als Excel-Datei. Letztere ist gut geeignet, um ein Analyse- und Rechenergebnis als Tabelle und grafisch darzustellen. (Anleitung hierzu als pdf.)

1. Analyse mittels Audacity (Anleitung als pdf)

  • Frequenzbestimmung: nach Gehör und Nachkontrolle mit Excel-Berechnungsprogramm,
  • Frequenzbestimmung durch „Spektralanalyse“ von Audacity,
  • Frequenzbestimmung „von Hand“ durch Auszählen und Nachrechnen (insbesondere über die Möglichkeit, Anzahl der Samples schnell zu erkennen).

2. Samples über Keyboard oder mittels Midifile spielen

„Halion“ (professionelles Tool) von Steinberg: Einzel-Samples einfach über eine virtuelle Tastatur ziehen und abspielen. Ein solches „Programm“ kann als VST-PlugIn für Cubase abgespeichert und in Cubase verwendet werden.

Hier ist eine Kurzeinführung in "Halion".
Unkomplizierte von mir programmierte  und natürlich kostenlose Sample-Player für die MAX-Runtime oder Ableton Live. - Einen sehr einfachen Sample-Player (allgemein) habe ich (mit Adobe Director) direkt als Windows-Anwendung programmiert.

3. Stimmungen elektronisch (auf Computersounds) spielen

Schritt 1:  Frequenzbestimmung des ganzen Tonsystems (siehe oben "Analyse"). Frequenztabelle erstellen.
Schritt 2: Mittels den Berechnung-Tools (Excel oder MAX-Runtime) müssen aus der Frequenztabelle die Cent-Abweichungen von den temperierten Tasten ermittelt werden.

Schritt 3: Diese Werte werden in den Maqam-Player eingegeben. Nun können GM-Sounds oder andere midifizierte Soundmoduln über Keyboard oder Midifile in der neuen Stimmung abgespielt werden.
Bemerkung. Explizite Eingabe von Pitchbend-Werten: mittels des Berechnungsprogramms erst zu jeder Frequenz Tastennummer und Cent ermitteln und sodann einschlägige Pitchbend-Werte. Anschließend kann man in Cubase und ähnlichen Programmen im MIDI-Daten-Editor zu den jeweiligen Tasten-Daten die zugehörigen Pitchbend-Werte (explizit) eingeben. Dies Verfahren ist mühselig – aber universell. - Vereinfachend können die maximal 12 Verstimmungen auf 12 Midi-Kanäle gelegt und jeder Kanal einmalig verstimmt werden, sodass sich die Sendung von Pitchbendwerten vor jeder Note erübrigt.

Sie finden eine Windows-Programme zur Lösung solcher "Probleme" (hier).

Bemerkung: Die meisten Maqam-Player arbeiten so, dass die Noten einer Oktav verstimmt und diese Stimmung dann auf alle Oktaven übertragen wird. Da es aber auch Tonsysteme ohne „Oktavreinheit“ gibt, ist dies Verfahren nicht immer nutzbar. Es gibt daher in Halion die Möglichkeit, alle 128 Tasten eigens zu verstimmen. An einigen Stellen des vorliegenden Kurses (siehe das Kapitel Gamelan)befinden sich erweiterte Sample- oder Maqam-Player, bei denen Samples oder Computersounds ohne Oktavwiederholung gespielt werden können.